Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Mitwirkung an der Abgabe einer gemeinsamen Erklärung gegenüber dem gemeinsamen Vermieter im Sinne des § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB ist im Verfahren der sonstigen Familienstreitsachen zu behandeln.

 

Normenkette

FamFG §§ 200, 266; BGB § 1568a Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 530 F 60/17)

 

Tenor

Auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24.07.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 04.07.2017 aufgehoben; das Familiengericht hat dem Ausgangsverfahren unter Beachtung der Auffassung des Senats Fortgang zu geben und dabei auch über die (außergerichtlichen) Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens zu befinden.

 

Gründe

I. Mit Antrag vom 28.03.2017 nimmt der - von der Antragsgegnerin rechtskräftig geschiedene - Antragsteller diese darauf in Anspruch, dass sie - mit ihm gemeinsam - gegenüber dem Vermieter der Wohnung ..., erklärt, dass beide sich dahingehend einig sind, dass diese - ehedem gemeinsam angemietete - Wohnung der Antragsgegnerin zur weiteren alleinigen Nutzung überlassen wurde/wird.

Diesem Antrag, den das Familiengericht in einem Wohnungszuweisungsverfahren nach § 200 FamFG behandelte, trat die Antragsgegnerin zunächst entgegen, erklärte aber am 06.06.2017 gegenüber dem Familiengericht, "... alsbald eine Zustimmung zur Entlassung des Antragsgegners aus dem Mietverhältnis (zu) erteilen ...". Dies erfolgte sodann am 07.06.2017. Am 16.06.2017 erklärte der Antragsteller seinen Antrag für erledigt, was der Antragsgegnerin auf Verfügung des Gerichts vom 23.06.2017 nach dem 29.06.2017 übermittelt wurde. Mit dem angefochtenen Beschluss, der Antragsgegnerin zugestellt am 06.07.2017, legte das Familiengericht der Antragsgegnerin in Anwendung von § 81 FamFG die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Wert desselben in Anwendung von § 48 FamGKG auf EUR 4.000,00 fest. Dabei erteilte es eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die binnen eines Monats nach Zustellung beim Familiengericht einzulegende Beschwerde das statthafte Rechtsmittel sei.

Hiergegen richtet sich die am 27.07.2017 beim Familiengericht eingegangene, persönlich verfasste Beschwerde der Antragsgegnerin.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht als solche nach den §§ 58 ff. FamFG statthaft, sondern als sofortige Beschwerde im Sinne der §§ 91a II, 567 ff. ZPO, 113 I 2, 266 I Nr. 3 FamFG zu behandeln, weil als solche statthaft und auch sonst zulässig. Hierüber entscheidet der Senat durch seinen Einzelrichter, vergl. § 568 ZPO.

Denn das vom Familiengericht auf den Antrag des Antragstellers vom 28.03.2017 angewandte Verfahren der Wohnungszuweisung im Sinne des § 200 FamFG wurde unzutreffend gewählt, weil es sich bei diesem Antrag tatsächlich um eine Familienstreitsache, § 112 Nr. 3 FamFG, im Sinne einer sonstige Familiensache im Sinne des § 266 I Nr. 3 FamFG handelte.

Die Behandlung als Wohnungszuweisungssache ergibt sich vorliegend für den Senat daraus, dass die Zustellung der Antragsschrift am 21.04.2017 ohne weitere Verfahrensförderung verfügt wurde (bei Annahme einer Streitsache wäre das schriftliche Vorverfahren bzw. früher erster Termin anzuordnen gewesen, §§ 113 I 2 FamFG, 275f. ZPO), am 23.05.2017 die Anordnung eines Erörterungstermins bestimmt wurde (anderenfalls Termin zur mündlichen Verhandlung, §§ 113 I 2 FamFG, 272 I ZPO) bzw. in dem angefochtenen Beschluss die Kostenverteilung auf § 81 FamFG sowie die Wertfestsetzung auf § 48 FamGKG gestützt wurden (anderenfalls §§ 113 I 2 FamFG, 91a I ZPO bzw. § 42 FamGKG).

Indes liegt eine Familienstreitsache vor: Denn der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag nicht die von § 1568a III Nr. 1 BGB ausgehende Auswirkung einer übereinstimmenden Erklärung der (geschiedenen) Ehegatten gegenüber dem gemeinsamen Vermieter, sondern er verfolgt einen ggf. im Innenverhältnis der Beteiligten bestehenden Anspruch auf Mitwirkung an einer solchen das gemeinsam begründete Außenverhältnis umgestaltenden Erklärung. Ein solcher Anspruch kann sich - vor Scheidung - aus § 1353 I 2 BGB ergeben, nach Scheidung aus den §§ 723 ff., 749 ff. BGB, je nachdem, ob die Ehegatten mit der gemeinsamen Eingehung eines Mietvertrages im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Bruchteilsgemeinschaft (zum Halten der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten) begründeten (oder ein sonstiges Rechtsverhältnis), vergl. OLG Hamm FamRZ 2016, 1688-1689, AG Rastatt FamRZ 2015, 1499-1500, Palandt-Brudermüller, § 1568a BGB, Rz. 12).

Insoweit hätte das Familiengericht im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinsichtlich des Antrages vom 28.03.2017 eine Kostengrundentscheidung im Sinne der §§ 113 I 2 FamFG, 91a I ZPO treffen müssen, im Falle der nur einseitigen Erledigungserklärung wäre das Verfahren als Feststellungsverfahren, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war sowie sich nach Rechtshängigkeit in der Sache erledigt...

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