Leitsatz (amtlich)

Zur gerichtlichen Überprüfung der Bewilligung der Zustellung einer - unter anderem auf Strafschadenersatz (treble damages) und ungerechtfertigte Bereicherung gerichteten Sammelklage aus dem Ausland (hier: USA) nach US-amerikanischem Recht (class-action) wegen angeblicher Kartellverstöße.

 

Tenor

Das Gesuch wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 500.000 EUR.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag nach § 23 EGGVG gegen die von der Antragsgegnerin nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vermittelte Zustellung einer - unter anderem auf Strafschadensersatz (treble damages) und ungerechtfertigte Bereicherung gerichtete - Sammelklage nach US-amerikanischem Recht (class-action) wegen angeblicher Kartellverstöße.

Kläger sind die C. S. E. LLC, N. v. d. M., S. B.., K. C. und andere nicht näher bezeichnete Personen. Die Klage richtet sich gegen die Antragstellerin sowie die S. L. C., C. P., H. Corp., U., N.V., U. PLC und U. U. S. Inc..

Am 19.02.2008 verhängte das Bundeskartellamt gegen vier Markenhersteller von Drogerieartikeln sowie deren Vertriebsleiter Bußgelder in Höhe von 37 Mio. EUR. Den Unternehmen wird vorgeworfen, zum Jahreswechsel 2005/2006 eine Anhebung der Listenpreise um etwa 5 % für einzelne Drogerieartikel abgestimmt und regelmäßig Informationen über die Verhandlungen mit Einzelhändlern ausgetauscht zu haben. Betroffene des Bußgeldverfahrens waren die H. W. - und R. GmbH, S- & H. GmbH, S. L. D. GmbH und U. D. GmbH. Gestützt auf diesen Bußgeldbescheid verlangen die Kläger die Unterlassung kartellrechtswidrigen Verhaltens, Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung sowie Schadensersatz in unbestimmter Höhe.

Mit Bescheid vom 04.07.2008 hat die Antragsgegnerin auf Ersuchen des Rechtsanwalts J. R. C. mit Sitz in Minneapolis, USA, die Zustellung der Klageschrift an die Antragstellerin bewilligt.

Die Antragstellerin ist - ebenso wie die H. W. - und R. GmbH und die S. & H. GmbH -100 %-ige Tochtergesellschaft, der H. AG & Co. KGaA.

Sie macht geltend, das HZÜ finde keine Anwendung, da es sich bei der gegen sie angestrengten Klage nicht um eine Zivil- oder Handelsklage im Sinne des Art. 1 HZÜ handele. Bei einer auf einen Strafschadensersatz gerichteten US-Sammelklage handele es sich um ein öffentlich-rechtliches Institut, da bei einer solchen Klage der Sanktionscharakter dominiere und der private Interessenausgleich von untergeordneter Bedeutung sei.

Jedenfalls stehe der Zustellung der Vorbehalt des Art. 13 HZÜ entgegen. Die Klage sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich und diene nur dazu, die Antragstellerin durch das Aufbauen einer Drohkulisse zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen zu bewegen. Die Klageforderung sei völlig aus der Luft gegriffen. Die Antragstellerin verfüge selbst über keinen operativen Geschäftsbetrieb. Der Bußgeldbescheid beziehe sich ausschließlich auf Kartellverstöße in Deutschland. Das Bundeskartellamt habe sich zu Auswirkungen des angeblichen Kartells in den USA nicht geäußert. Durch den substanzlosen Vorwurf eines Kartellverstoßes mit Auswirkungen in den USA solle die Antragstellerin in ein umfangreiches und kostenintensives Beweiserhebungsverfahren getrieben werden, dessen Kosten nach amerikanischem Recht auch bei späterem Obsiegen nicht erstattet werden. Hinzu komme, dass die Antragstellerin auch als Gesamtschuldnerin für den Anteil der anderen Schädiger an dem behaupteten Schaden in Anspruch genommen werde und die in dem US-amerikanischem Bundesrecht und praktisch allen benannten Bundesstaaten geltenden Grundsätze der Gesamtschuld (jointly and severally liable) einen dem deutschen entsprechenden Innenausgleich (§ 426 BGB) nicht vorsähen. Im Hinblick auf die offensichtlich fehlende Beteiligung der Antragstellerin an den Kartellverstößen sei dies in besonderem Maße unbillig und die Ausnutzung dieser Situation durch die Kläger und ihre Anwälte evident rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen sei die Antragstellerin, obwohl die Vorwürfe substanzlos seien, zumindest potentiell dem Risiko einer extrem hohen, potentiell existenzbedrohenden Schadensersatzforderung ausgesetzt.

Die Antragstellerin beantragt,

  • 1.

    die Bewilligung der Zustellung der in dem Zustellungsantrag des Rechtsanwalts J. R. C., APS International, LTD, Minneapolis, Minnesota, USA, vom 10.04.2008 hinsichtlich der Klage der C. S. E. LLC und der N v. d. M., S. B., K. C. (u.a.) genannten Schriftstücke an die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin vom 04.07.2008, Az. 934 E1 - 7.84 -08, aufzuheben,

  • 2.

    die Antragsgegnerin anzuweisen, die Erledigung des Zustellungsantrags in dem o.g. Verfahren abzulehnen,

  • 3.

    hilfsweise, das Rechtshilfeverfahren vorläufig auszusetzen, zumindest bis der Bundesgerichtshof in dem Verfahren IV AR (VZ) 3/05 die ihm vorgelegten Rechtsfragen des OLG Koblenz entschieden hat,

  • 4.

    weiter hilfsweise, das Rechtshilfeverfahren vorläufig au...

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