Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine im November 2002 beim Bundesbezirksgericht für den östlichen Bereich von New York (Distrikt Court for the Eastern District of New York) eingereichte Schadensersatzklage (hier: Sammelklage, mit der mehrere schwarze Südafrikaner von mehreren namentlich aufgeführten Unternehmen aus den USA und Europa sowie weiteren unbekannten Gesellschaften Schadensersatz wegen der Unterstützung des früheren südafrikanischen Apartheid-Regimes verlangen) einem Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland zuzustellen ist, richtet sich nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HZÜ).

2. Der rechtlichen Einordnung als Zivilklage i.S.d. Art. 1 HZÜ steht grundsätzlich nicht entgegen, dass

  • die Klage auf Schadensersatz mit Strafcharakter gerichtet ist;
  • es sich um eine sog. class action handelt (hier: Auftreten eines Klägers für mehr als 30.000 Mitglieder seiner Organisation);
  • die Kläger sich auf den Alien Torts Claim Act (ATCA) stützen, der Teil des Judiciary Act von 1798 ist.

3. Die ersuchte Zustellung darf nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden oder die konkret zuzustellende Klage offenkundig rechtsmissbräuchlichen Charakter hat was nicht schon der Fall ist, bei

  • einer US-amerikanischen Strafschadensersatzklage ("punitive damages");
  • der Möglichkeit der zivilprozessualen Sachverhaltsermittlung im Wege der pre-trail discovery
  • Unschlüssigkeit der Klage nach deutschen Maßstäben.
 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 03.11.2015; Aktenzeichen 2 BvR 2019/09)

 

Tenor

Das Gesuch wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 500.000 EUR (vgl. OLG Frankfurt 20 VA 5/04, Beschluss vom 30.3.2006).

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag nach § 23 EGGVG gegen die von der Antragsgegnerin nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vermittelte Zustellung einer im November 2002 beim Bundesbezirksgericht für den östlichen Bereich von New York (District Court for the Eastern District of New York) in Form einer Sammelklage eingereichten Schadensersatzklage, mit der mehrere schwarze Südafrikaner von 23 namentlich aufgeführten Unternehmen aus den USA und Europa sowie weiteren unbekannten Gesellschaften Schadensersatz wegen der Unterstützung des früheren südafrikanischen Apartheid-Regimes verlangen. Zur Klägergrupe gehört auch der Kläger zu 1. "K.", eine südafrikanische Organisation mit ca. 32.700 Mitgliedern, der ausweislich der Klageschrift auch für seine Mitglieder auftritt. Dabei stützen sich die Kläger zur Begründung des angerufenen Gerichtsstandes auf den Alien Torts Claim Act (ATCA), der Teil des Judiciary Act von 1798 ist. Danach haben die Bundesgerichte eine originäre Zuständigkeit für Zivilklagen eines Ausländers nur für Delikte, die unter Verletzung des Völkerrechts oder eines Abkommens der Vereinigten Staaten begangen wurden (28 U. S. C. § 1350).

Zwischenzeitlich wurde die u.a. gegen die Antragstellerin gerichtete Klage von einem Richtergremium für Mehrbezirksverfahren (Judical Panel on Multidistrict Litigation) dem zuständigen Richter S. beim Bundesbezirksgericht für den südlichen Bereich von New York (District Court for the Southern District of New York) übertragen, bei dem bereits die Sammelklagen "N." und "D." anhängig waren, die auf ähnlichen Anschuldigungen beruhen. Durch Urteil vom 29.11.2004 wies er den Klageantrag zunächst wegen fehlender Zuständigkeit zurück. Gegen dieses Urteil legten die Kläger Rechtsmittel ein. Der Court of Appeals for the Second Circuit hob durch Urteil vom 12.10.2007 das erstinstanzliche Urteil auf, soweit es einen Anspruch nach ATCA abgewiesen hatte, und verwies den Prozess insoweit zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück. Er bestätigte das erstinstanzliche Urteil indes, soweit es Ansprüche auf der - von einigen Klägern herangezogenen - Grundlage des Torture Victure Protection Act (TVPA) und des Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) abgewiesen hatte. Diese Entscheidung wurde auf ein Rechtsmittel der Beklagten durch den Supreme Court of the United States ohne mündliche Verhandlung summarisch bestätigt.

Auf Grund einer erneuten mündlichen Verhandlung vom 26.2.2009 über die Zulässigkeit der Klagen hat die inzwischen bei dem US District Court für den südlichen Bereich von New York zuständige Richterin S. durch Urteil vom 8.4.2009 die Sammelklagegesuche der K.-Gruppe gegen u.a. die Antragstellerin sowie diejenigen der N.-Kläger in einem eingeschränktem Umfang zugelassen. In Bezug auf die hiesige Antragstellerin ist die unter Vorbehalt zugelassene Klage nunmehr beschränkt auf den von den Klägern behaupteten Vorwurf der Beihilfe zu Tötungen von Personen der südafrikanischen Bevölkerungsmehrheit ohne Gerich...

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