Leitsatz (amtlich)

1. Der Schutz der Minderheitsaktionäre gebietet es grundsätzlich nicht, im Spruchverfahren neben dem sachverständigen Prüfer einen weiteren gerichtlichen Sachverständigen hinzuzuziehen. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist - auch im Hinblick auf den in § 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatz - nur dann einzuholen, wenn auch nach einer etwaigen Anhörung des sachverständigen Prüfers (§ 8 Abs. 2 SpruchG) noch weiterer Aufklärungsbedarf besteht und weitere Klärung durch das Sachverständigengutachten zu erwarten ist.

2. Erfolgt die Unternehmensplanung regulär nur auf Konzern-Ebene, kann es sachgerecht sein, bei der Ermittlung des Ertragswertes eines konzernangehörigen Unternehmens eine aus der Konzernplanung abgeleitete Planung zugrunde zu legen.

3. Es obliegt weder der Gesellschaft noch dem Gericht im Rahmen seiner eigenen Schätzung des anteiligen Unternehmenswertes, umfassende wissenschaftliche Studien zur Höhe der Marktrisikoprämie durchzuführen. Regelmäßig stellt eine Marktrisikoprämie, die sich an den Vorgaben des IDW für den maßgeblichen Zeitraum orientiert, eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes dar. Für einen Stichtag im November 2017 ist der Ansatz einer sich an den Empfehlungen des FAUB orientierenden Marktrisikoprämie nach Steuern von 5,5 % nicht zu beanstanden.

4. a) Die Bestimmung des Anteilswerts anhand des Barwerts der aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär nach § 304 AktG zustehenden Ausgleichszahlungen kann im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a, 327b AktG eine geeignete Methode zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung gemäß § 327b AktG sein. Dabei ist grundsätzlich die Heranziehung eines Kapitalisierungszinssatzes in Höhe des um den halben Risikozuschlag des in der zugrunde liegenden Bewertung nach dem Ertragswertverfahren verwendeten Kapitalisierungszinssatzes erhöhten Basiszinssatzes nicht zu beanstanden.

b) Lediglich dann, wenn der geschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Vereinbarungen dahingehend enthält, dass im Fall der Beendigung dieses Vertrags die von den Minderheitsaktionären gehaltenen Aktien zu einem garantierten Preis veräußert werden können, ist es gerechtfertigt, bei dem Risikozuschlag nur das geringere Zahlungsausfallrisiko (Insolvenzrisiko) der Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AktG § 327f S. 2; FamFG § 26; SpruchG § 3 S. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 18 O 7/18 [AktE])

 

Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers zu 5) vom 20.08.2020, der Antragsteller zu 20) und 21) vom 24.08.2020 und der Antragsteller zu 23) und 24) vom 24.08.2020 gegen den Beschluss der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 03.07.2020 - 18 O 7/18 AktE - werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Spruchverfahren betrifft die in der Hauptversammlung der H. AG vom 21.11.2017 beschlossene Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die seinerzeitige Hauptaktionärin, die H. Beteiligungs GmbH, gegen Gewährung einer Barabfindung (sog. Squeeze-out). Die H. Beteiligungs GmbH ist im November 2018 - während des Spruchverfahrens - im Wege einer Verschmelzung zur Aufnahme auf ihre Alleingesellschafterin, die H. Holding GmbH (nunmehrige Antragsgegnerin) verschmolzen worden.

Die Antragsteller waren Aktionäre der H. AG mit Sitz in .... Diese ist ein Komplettanbieter sanitärtechnischer Produkte und Systeme, die der Regelung des Wasserflusses und zur Wasserdarbietung an allen Sanitär- und Küchenzapfstellen in Gebäuden dienen und unter dem Markennamen "H." vertrieben werden ("Wassertechnologieprodukte"). Die Produktpalette beinhaltet insbesondere Badarmaturen, Accessoires für die Badausstattung, Brausen, Duschsysteme, Küchenarmaturen sowie auch Spül- und Installationssysteme von gehobener Qualität. Über 26 Vertriebsgesellschaften, 34 Niederlassungen sowie Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen selbstständigen Handelsvertretungen verkauft die H. AG mit ihren Tochtergesellschaften ("H. AG-Gruppe") Produkte in über 130 Ländern. Bei Sanitärarmaturen ist die H. AG-Gruppe Marktführer in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Ländern, Österreich, Italien, Russland und in zahlreichen Ländern des Nahen/Mittleren Ostens. Derzeit werden die bestehenden Produktkategorien des Konzerns um Produkte im digitalen Bereich, Keramik-Erzeugnisse und Dusch-WCs erweitert. Im digitalen Bereich handelt es sich dabei um die Produkte H. Sense oder H. Sense Guard; H. Sense erkennt auslaufendes Wasser, Frostgefahr, misst die Feuchtigkeit und warnt unverzüglich per Smartphone App, H. Sense Guard überwacht den Wasserverbrauch, erk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge