Leitsatz (amtlich)

1. Unerlässliche Voraussetzung für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (hier: Antrag auf Aufhebung der Hinterlegung eines ehemaligen Kontoguthabens des Erblassers) durch den Senat als nächst höheres gemeinsames Gericht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist auch unter Zugrundelegung eines weiten Verständnisses des Begriffs der Rechtskraft der Kompetenz leugnenden (amtsgerichtlichen) Entscheidungen die deren Wirksamkeit erst begründende Bekanntgabe an den Antragsteller.

2. Hatte der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt zuletzt in ein Pflegeheim verlegt, so bildet dieses den für die örtliche Zuständigkeit gemäß § 343 Abs. 1, 1. Halbsatz maßgeblichen letzten Wohnsitz, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Gesundheitszustand eine nur auf begrenzte Dauer angelegte medizinische und pflegerische Betreuung erfordert hat und nichts dafür spricht, dass eine Rückkehr in die zuletzt von ihm bewohnte Wohnung in Betracht zu ziehen war (Bestätigung des Senatsbeschlusses I-3 Sa 5/12 vom 29.10.2012, NJW-RR 2013, 520 f.).

 

Normenkette

FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1, § 41 Abs. 1 S. 1, § 343 Abs. 1, § 343 1. HS

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Beschluss vom 16.11.2015; Aktenzeichen 92 VI 569/15)

 

Tenor

Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für den Antrag der Beteiligten auf Aufhebung der Hinterlegung eines ehemaligen Kontoguthabens des Erblassers wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte hat mit Schreiben vom 08.07.2015 beim AG Düsseldorf - Nachlassgericht - beantragt, die Hinterlegung des Guthabens des aufgelösten Girokontos des Erblassers in Höhe eines Betrages von 1.244,58 EUR zu ihren Gunsten aufzuheben. Im September 2015 hat das AG Düsseldorf die Akten dem AG Remscheid zuständigkeitshalber zur Weiterführung übersandt und dazu vermerkt "Letzter tatsächlicher Wohnsitz Remscheid".

Mit Beschluss vom 19.10.2015 hat das AG Remscheid das Verfahren zur weiteren Sachbearbeitung und Entscheidung an das AG Düsseldorf "zurückverwiesen" und ausgeführt, der Erblasser habe seinen letzten Wohnsitz in Düsseldorf gehabt. Dieser habe sich durch seinen zuletzt nicht ganz vierwöchigen Aufenthalt in einem Pflegeheim in Remscheid nicht geändert. Das AG Düsseldorf hat die Übernahme mit Beschluss vom 16.11.2015 abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vorgelegt, da Hinweise auf eine nur vorübergehende Unterbringung des Erblassers im Pflegezentrum in Remscheid nicht ersichtlich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.

II. Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für den Antrag der Beteiligten war abzulehnen, weil die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist das zuständige Gericht durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht - hier das Oberlandesgericht Düsseldorf - zu bestimmen, wenn sich verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Zwar haben sich im vorliegenden Fall sowohl das AG Remscheid als auch das AG Düsseldorf durch Beschluss für unzuständig erklärt; die Entscheidungen sind allerdings nicht rechtskräftig.

Im Interesse einer raschen Klärung negativer Kompetenzkonflikte ist bei § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG von einem weiten Verständnis des Begriffes der Rechtskraft auszugehen. Unerlässliche Voraussetzung für die Zuständigkeitsbestimmung nach dieser Vorschrift ist aber die Bekanntgabe der kompetenzleugnenden Entscheidungen (vgl. Senat NJW-RR 2013, 520; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 13.04.2016 - 1 SV 8/16 u. 1 SV 9/16, zitiert nach Juris; OLG Hamm, MDR 2016, 333; OLG München, Beschluss vom 11.04.2016 - Az. 34 AR 41/16 zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall fehlt es bei beiden Beschlüssen an einer Bekanntgabe an die Beteiligte als Antragstellerin, §§ 7 Abs. 1, 41 Abs. 1 S. 1 FamFG, mit der Folge, dass die Beschlüsse zwar mit Übergabe an die Geschäftsstelle existent, aber wegen der fehlenden Bekanntgabe noch nicht wirksam geworden sind. Es ist auch nicht Aufgabe des Senats, die fehlende Bekanntgabe nachzuholen und dadurch die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung erst zu schaffen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 641; OLG München, a.a.O.).

Um weiteren Zuständigkeitskonflikten vorzubeugen weist der Senat schon jetzt darauf hin, dass das AG Remscheid für die weitere Bearbeitung der Nachlasssache zuständig sein dürfte. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich gem. § 343 Abs. 1, 1. Hs. FamFG nach dem Wohnsitz, den der Erblasser zur Zeit des Erbfalls hatte. Der Wohnsitz ist der räumliche Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person (vgl. § 7 BGB). Hatte der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt zuletzt in ein Pflegeheim verlegt, bildet dieses den maßgeblichen letzten Wohnsitz, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Gesundheitszustand eine nur auf begrenzte Dauer angelegte medizinische ...

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