Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beratungshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beratungshilfe knüpft an den allgemeinen Gerichtsstand des Rechtssuchenden bei Antragstellung an. Hierfür genügen auch Anträge, die unvollständig sind.

2. Wird nachträglich um Bewilligung von Beratungshilfe nachgesucht, bleibt das AG, das dem Rechtsuchenden den Eingang des (Formblatt-) Antrags bescheinigt, aber wegen Unvollständigkeit noch keine Akten angelegt hat, auch dann örtlich zuständig, wenn der Beratungshilfeantrag vervollständigt erst zu einem Zeitpunkt vorliegt, in dem der Rechtsuchende seinen Wohnsitz in den Bezirk eines anderen AG verlegt hat.

 

Normenkette

BerHG § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 6 Abs. 2, 2 S. 2; FamFG §§ 3-4, 5 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München

 

Tenor

Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe gemäß Formblatt AG I 1 (Geschäftsnummer des AG München:..., unterzeichnet mit Datum: 3.9.2014) wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller suchte mit auf den 3.9.2014 datiertem Vordruck am 4.9.2015 die Rechtsantragsstelle des AG München zur Beantragung von Beratungshilfe in folgenden Angelegenheiten auf:

1. Klärung ob Kindesunterhaltsanspruch besteht;

2. Klärung einer Bafög-Rückzahlungsforderung (insbesondere Angemessenheit).

Der Rechtspfleger vermerkte das Datum auf dem Antragsformular ("04.09.15"), vergab jedoch weder eine Geschäftsnummer noch prüfte er den Antrag inhaltlich, weil der Rechtssuchende damals keine Unterlagen zum rechtlichen Problem und zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Hand gehabt habe. Entsprechende Unterlagen legte der Antragsteller mit beim AG München am 4.12.2015 eingegangenem Schreiben vor, worauf auch eine Geschäftsnummer vergeben wurde.

Der Antragsteller war bis 15.10.2015 in München wohnhaft, anschließend ist er nach Nürnberg verzogen.

Mit Beschluss vom 10.2.2016 gab das AG München den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe zuständigkeitshalber unter Hinweis auf §§ 3, 4 FamFG an das AG Nürnberg ab, weil der Rechtssuchende bei Antragstellung seinen Hauptwohnsitz in Nürnberg gehabt habe. Durch die persönliche Vorsprache am 4.9.2015 sei keine Zuständigkeit des AG München begründet worden, da hier kein Verfahren angelegt worden sei.

Das AG Nürnberg hat sich seinerseits mit Beschluss vom 24.2.2016 für örtlich unzuständig erklärt. Der Antragsteller sei bis 15.10.2015 in München gemeldet gewesen und habe dort seinen Wohnsitz gehabt. Der Antrag sei bereits am 4.9.2015 wirksam beim AG München gestellt worden.

Das AG München hat mit Beschluss vom 7.3.2016 die Akten dem Oberlandesgericht München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint u.a., bei der Vorsprache des Rechtssuchenden am 4.9.2015 sei zwar das Datum vermerkt worden, um die vierwöchige Frist des § 6 Abs. 2 Satz 2 BerHG zu wahren, jedoch sei dadurch keine Zuständigkeit des AG München begründet worden. Weder sei eine Geschäftsnummer vergeben noch sei der Antrag geprüft worden, weil der Rechtssuchende die notwendigen Unterlagen dazu nicht dabei gehabt habe.

II. Für das Verfahren in Angelegenheiten der Beratungshilfe gelten - soweit das Beratungshilfegesetz (BerHG vom 18.6.1980, BGBl I S. 689) nichts anderes bestimmt - die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) entsprechend, § 5 Satz 1 BerHG.

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG wird das zuständige Gericht durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das nächsthöhere gemeinsame Gericht ist im gegenständlichen Konfliktfall der Bundesgerichtshof; weil das zuerst mit der Sache befasste Gericht das AG München ist, wird nach § 5 Abs. 2 FamFG die Bestimmung durch das Oberlandesgericht München getroffen.

Von den Voraussetzungen einer beiderseitigen "rechtskräftigen" Unzuständigerklärung kann allerdings nicht ausgegangen werden.

Die dem Antragsteller bekannt gegebene Entscheidung des AG München vom 10.2.2016 ist zwar als "Abgabe" tenoriert, ohne ausdrücklich die eigene örtliche Unzuständigkeit auszusprechen. Begründet wird die "Abgabe" auch mit § 4 FamFG. Gewollt gewesen sein dürfte indessen eine "rechtskräftige", nämlich unanfechtbare und bindende Unzuständigerklärung mit gleichzeitiger Verweisung gemäß der ebenfalls zitierten Bestimmung des § 3 FamFG, weil sich das AG München seinerseits für unzuständig, das AG Nürnberg jedoch für zuständig hält. Abgaben im Sinn von § 4 FamFG erfordern hingegen die eigene - zumindest für gegeben erachtete - Zuständigkeit (Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 11. Aufl. § 4 Rn. 5).

Entscheidend ist aber, dass der "Beschluss" des AG Nürnberg vom 24.2.2016 - wiewohl inhaltlich ebenfalls nicht eindeutig - schon deshalb nicht als "rechtskräftig" angesehen werde...

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