Leitsatz (amtlich)

1. Vor der operativen Entfernung eines Weisheitszahnes in einer Zahnarztpraxis ist keine Aufklärung geboten, dass der Eingriff auch in einer kieferchirurgischen Praxis durchgeführt werden kann.

2. Der Umstand, dass es bei einem solchen Eingriff zu einer Verletzung des Nervus lingualis gekommen ist, rechtfertigt für sich genommen nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 1585/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 12.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung nimmt der Senat auf den Hinweisbeschluss vom 21.12.2020 Bezug. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 25.01.2021 geäußerten Bedenken fest, die zu einer Abänderung keinen hinreichenden Anlass bieten.

Entgegen der Ansicht der Berufung war eine Aufklärung des Klägers über die Möglichkeit, den Eingriff in einer fachärztlichen oralchirurgischen Praxis bzw. Klinik durchzuführen, nicht geschuldet. Insoweit handelt es sich gerade nicht um eine Behandlungsalternative mit gleichwertigen Chancen, aber unterschiedlichen Risiken. Wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass die beabsichtigte Weisheitszahnextraktion im Wege der Osteotomie zum Behandlungsstandard einer Zahnarztpraxis gehört und es daher - unabhängig von der konkreten Ausführung der Operation - schon aus diesem Grund nicht geboten gewesen ist, den Eingriff in einer spezialisierten Klinik bzw. von einem Facharzt durchführen zu lassen. Da der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass die Beklagte im Behandlungszeitraum unerfahren war und vergleichbare Eingriffe nur selten ausgeführt hatte, bestand auch keine dahingehende Hinweispflicht.

Die weiteren Ausführungen des Klägers zur Weisheitszahnextraktion als oralchirurgischer aber nicht zahnärztlicher Routineeingriff vermögen die entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen nicht in Frage zu stellen. Insbesondere sind weder der Verweis auf die Weiterbildungsordnung oder eine behauptete Ablehnung derartiger Eingriff durch viele zahnärztliche Praxen und Unverständnis über eine angeblich fehlende gesetzliche Regelung noch der Hinweis auf ein Verfahren vor dem LG Dessau geeignet, begründete Zweifel an der sachverständigen Begutachtung zu wecken. Aus der Weiterbildungsordnung ergibt sich bereits nicht, dass die operative Zahnentfernung allein durch Fachzahnärzte für Oralchirurgie oder Kieferorthopädie durchgeführt werden darf. Dass ein derartiger Eingriff von verschiedenen (Nicht-Fach)-Zahnärzten regelmäßig abgelehnt wird, kann dahingestellt bleiben. Denn hierdurch wird bereits nicht belegt, dass Zahnärzten nach ihrer Ausbildung bzw. entsprechend ihrer jeweiligen Erfahrung und Praxisausstattung regelmäßig nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die Routine zur Durchführung eines solchen Eingriffs verfügen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss (S. 7/8) ergänzend verwiesen.

Der Kläger legt auch an keiner Stelle dar, welche gegenüber der Weisheitszahnextraktion in einer Zahnarztpraxis weniger risikobehaftete Behandlungsalternative in einer oralchirurgischen Praxis oder Klinik bestanden hätte oder durchgeführt worden wäre. Dass sich ein Zahnarzt in einem Verfahren vor dem Landgericht Dessau dahingehend geäußert hat, er habe die Operation als Herausforderung empfunden und die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit testen wollen, lässt sich weder bei der Beurteilung von zahnärztlichen Weisheitszahnextraktionen im allgemeinen noch bei der Beurteilung der im Streitfall erfolgten Behandlung heranziehen. Anhaltspunkte, die eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte auch nur ansatzweise nahelegen könnten, sind weder dargelegt noch sonst wie ersichtlich. Der Umstand, dass sich in einer oralchirurgischen Praxis häufig Patienten nach abgebrochener Zahnentfernung vorstellen, belegt entgegen der Ansicht der Berufung nicht, dass Zahnärzte regelmäßig nicht in der Lage sind, derartige Eingriffe entsprechend den zahnärztlichen Leitlinien durchzuführen. Diese Feststellung steht im Widerspruch zu den Bekundungen des Sachverständigen, wird durch nichts belegt und ist in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet, Zweifel am Ergebnis der Begutachtung zu wecken. Gleiches gilt hinsichtlich einer Erhöhung...

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