Leitsatz (amtlich)

1. Vor der operativen Entfernung eines Weisheitszahnes in einer Zahnarztpraxis ist keine Aufklärung geboten, dass der Eingriff auch in einer kieferchirurgischen Praxis durchgeführt werden kann.

2. Der Umstand, dass es bei einem solchen Eingriff zu einer Verletzung des Nervus lingualis gekommen ist, rechtfertigt für sich genommen nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 1585/17)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.12.2020 wird aufgehoben.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht wegen einer fehlerhaften Behandlung im Zusammenhang mit der Weisheitszahnoperation vom 08.11.2013 weder aus Vertrag gem. §§ 630 a, 280, 249, 253 Abs. 2 BGB noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.

Die Beklagte haftet dem Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt mangelhafter Aufklärung hinsichtlich des Eingriffs (im folgenden A). Zu Recht hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die eingeholten Sachverständigengutachten auch eine Haftung der Beklagten wegen einer fehlerhaften Behandlung des Klägers verneint (im folgenden B).

A) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die Beklagte habe den Kläger über den vorgesehenen Eingriff nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Die im Gespräch vom 11.10.2013 erfolgte Aufklärung ist vielmehr inhaltlich weder hinsichtlich der beim geplanten Eingriff bestehenden Risiken noch bezogen auf die Darstellung des operativen Eingriffs zur Entfernung des Weisheitszahnes im Unterkiefer oder der konkret bestehenden Behandlungsalternativen zu beanstanden.

Dem Patienten ist durch die vor jedem ärztlichen Eingriff zu erfolgende Aufklärung eine allgemeine Vorstellung von der Art und dem Schweregrad der in Betracht stehenden Behandlung sowie den damit verbundenen Belastungen und Risiken zu vermitteln. Dabei ist über die mit der fehlerfreien medizinischen Behandlung verbundenen und dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken, die bei ihrer Verwirklichung für die Lebensführung des Patienten von Bedeutung sind (Risikoaufklärung) sowie über die Art der konkreten Behandlung und deren Tragweite aufzuklären (Behandlungsaufklärung). Eine ordnungsgemäße Aufklärung und damit wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung steht zur Beweislast des Arztes (vgl. nur: BGH, NJW 1992, 2354, 2356). An den dem Arzt obliegenden Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten dürfen jedoch keine unbillig hohen Anforderungen gestellt werden. Dabei kann die ständige Übung und Handhabung der Aufklärung von Patienten ein wichtiges Indiz für eine Aufklärung des Patienten auch im Einzelfall darstellen (vgl. BGH, VersR 1992, 237, 238, juris Tz. 17 m.w.N.; NJW 1986, 2885 f., juris Tz. 7). Auch sollte dann, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht ist, dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (BGH, NJW 1985, 1399 ff., juris Tz. 13).

1. a) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht unter zutreffender Würdigung der Angaben der Parteien in den Verhandlungsterminen vom 29.01.2018 und vom 16.12.2019 die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte den Kläger in einem Gespräch am 11.10.2013 und anhand eines Aufklärungsbogens über die Risiken der geplanten operativen Entfernung des Weisheitszahnes in der Regio 48 ausreichend aufgeklärt und dabei auch auf das Risiko von - nicht nur vorübergehenden - Nervschädigungen hingewiesen hat. Dies wird durch den von den Parteien geschilderten Inhalt des Gesprächs belegt. Danach hat die Beklagte, bei der es sich um eine erfahrene Zahnärztin mit einer 20-jährigen Praxiserfahrung handelt, mit dem Kläger ihrer steten Übung entsprechend auch über das mit der Extraktion von Weisheitszähnen im Unterkiefer bestehende Risiko einer Nervschädigung gesprochen und erklärt, dass es zu solchen Schäden kommen kann, diese in der Regel aber wieder vergehen würden. Damit hat die Beklagte dem Kläger das Risiko von Nervschädigungen zutreffend dargestellt, die sich entsprechend den sachverständigen Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. E...

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