Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel in den AGB eines Krankenversicherers, die diesem im Bereich zwischen 5 % und 10 % Abweichung der kalkulierten von den erforderlichen Versicherungsleistungen ein in das Ermessen gestelltes Anpassungsrecht einräumt, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar (entgegen OLG Rostock, Urteil vom 17.9.2022 - 4 U 132/21).

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2322/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 wird aufgehoben.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

I. Die Berufungsanträge unter 1), 3) - 5) aus der Berufungsbegründung haben keinen Erfolg, weil die verfahrensgegenständlichen Beitragsanpassungen wirksam sind. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Beitragsanpassung bezüglich des Tarifs BS9 mit Erhöhungsverlangen zum 01. April 2017 entspricht den formellen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 - juris; Urteil vom 20. Oktober 2021, Az. IV ZR 148/20 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/16, Rdnr. 26 - juris). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern lediglich die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlagen, der Umfang der Überschreitung des Schwellenwerts oder die Angabe, ob sich der überschrittene Schwellenwert aus dem Gesetz oder den Versicherungsbedingungen ergibt, zur Information des Versicherungsnehmers nicht erforderlich (vgl. BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 21. Juli 2021, Az. IV ZR 191/20 - juris; OLG Celle, Urteil vom 13. Januar 2022, Az. 8 U 134/21 - juris). Ferner ist über die Nennung der Rechnungsgrundlage hinaus ein ausdrücklicher Hinweis auf eine nicht nur vorübergehende Veränderung dieser nicht geboten (vgl. dazu nur OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Februar 2022, Az. 12 U 202/21; OLG Stuttgart, Urteil vom 04. November 2021, Az. 7 U 204/21 - juris). Vielmehr gehört neben der veränderten Rechnungsgrundlage lediglich die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021, a.a.O.; Senat, Urteil vom 08. Februar 2022, Az. 4 U 1728/21; OLG Celle, a.a.O.). Denn die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Dagegen hat die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (so BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).

b) Unter Berücksichtigung dessen sind die nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben in der streitgegenständlichen Mitteilung zur Beitragserhöhung enthalten, so dass die Prämienanpassung sich als wirksam darstellt. Sie geht insbesondere auch über die bloße Darstellung der allgemeinen Verfahrensweise der Beitragsanpassung hinaus.

aa) In dem Mitteilungsschreiben zur Beitragsanpassung an den Kläger aus Februar 2017 heißt es unter anderem:

"... heute informieren wir Sie darüber, dass wir zum 01. A...

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