Leitsatz (amtlich)

1. Endet das Rechtsmittelverfahren durch frühzeitige Rücknahme der Berufung gegen den Scheidungsausspruch, kommt wegen geringen Umfangs bei der Streitwertbemessung nach § 12 Abs. 2 S. 1 GKG ein Abschlag von dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen (§ 12 Abs. 2 S. 2 GKG) in Betracht. Erfolgt die Rücknahme nach Terminsbestimmung aber geraume Zeit vor dem vorgesehenen Termin, kann ein Abzug von 20 % angemessen sein.

2. Anders als Sozialhilfe gehört Arbeitslosenhilfe zum Einkommen i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 2 GKG.

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Aktenzeichen 30 F 1383/96)

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.105 DM festgesetzt.

3. Dem Antragsteller wird für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung rückwirkend ab 30.11.2001 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihm wird Rechtsanwältin …, …, beigeordnet.

 

Gründe

1. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sie ihr Rechtsmittel zurückgenommen hat (§§ 515 Abs. 3 ZPO, 26 Nr. 5 EGZPO).

2. Die Bemessung des Streitwertes des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 14 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 2 S. 1 und 2 GKG, und zwar in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Die grundsätzlich ab Beginn des Jahres 2002 geltenden Änderungen durch das Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf EURO vom 27.4.2001 (BGBl. I 2001, 751 ff.) sind vorliegend nicht zu berücksichtigen, da die Berufung im Jahr 2001 eingelegt worden ist (§ 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG). Der Streitwert ist deshalb nicht in EURO, sondern in Deutsche Mark auszudrücken.

2.1. Nach § 12 Abs. 2 S. 1 GKG ist der Wert der Ehesache unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 GKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen beider Eheleute einzusetzen, wobei nach § 15 GKG für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung maßgebend ist – hier also September 201.

2.2. Die Antragsgegnerin erhält eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit i.H.v. 1.340,43 DM. Der Antragsteller bezieht seit Februar 2001 Arbeitslosenhilfe i.H.v. (25,86 DM × 365 Tage: 12 Monate =) 786,57 DM monatlich. Arbeitslosenhilfe ist im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Sie dient der Bedarfsdeckung und ist als Einkommen zu bewerten (vgl. OLG Düsseldorf v. 24.2.1993 – 3 WF 25/93, FamRZ 1994, 250; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort: Ehesachen; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 12 GKG Rz. 37). Der hiervon abweichenden Auffassung, nach der Arbeitslosenhilfe – in gleicher Weise wie Sozialhilfe – nicht zum Einkommen i.S.d. § 12 Abs. 2 GKG zähle (so OLG Celle FamRZ 2000, 1520; OLG Karlsruhe v. 21.7.1997 – 16 WF 62/97, FamRZ 1998, 572; OLG Bremen JurBüro 1992, 113), kann nicht gefolgt werden.

Zwar gilt sowohl für die Sozialhilfe als auch für die Arbeislosenhilfe der Grundsatz der Subsidiarität. Danach besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur dann, wenn der Erwerbslose bedürftig ist (§ 190 Abs. 1 SGB III), er also seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Die §§ 190 ff. SGB III enthalten jedoch von den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes abweichende und eigenständige Regelungen zu den Voraussetzungen des Bezuges und der Höhe der Arbeitslosenhilfe, zu dem Erlöschen des Anspruchs sowie zum Übergang von Ansprüchen des Arbeitslosen. Weiter ist Sozialhilfe nachrangig gegenüber Arbeitslosenhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG). Vor allem aber soll die Arbeitslosenhilfe nicht nur die Bedürftigkeit des Arbeitslosen mindern oder beseitigen, sondern ihm auch einen (teilweisen) Ausgleich für entgangenen Arbeitsverdienst verschaffen. Das zeigt sich deutlich darin, dass sie sich in ihrem Umfang an der Höhe des gewöhnlich erzielten Arbeitsentgeltes ausrichtet (§§ 132, 200 SGB III). Sie muss weder bedarfsdeckend sein, noch findet sie nach oben hin in der Bedarfsdeckung ihre Grenze. Der Arbeitslosenhilfe kommt daher anders als der Sozialhilfe (auch) eine Lohnersatzfunktion zu (vgl. BGH, NJW 1984, 1811, 1812). Zudem gilt der Grundsatz der Subsidiarität für die Arbeitslosenhilfe nicht uneingeschränkt. So entfällt etwa für Unterhaltsansprüche, die ein volljähriger Arbeitsloser gegen Verwandte hat, die Subsidiarität nach § 194 Nr. 11 SGB III (vgl. auch BSG v. 17.10.1991 – 11 RAr 125/90, FamRZ 1992, 932). Anders als nach § 91 Abs. 1 BSHG setzt die Überleitung von Ansprüchen des Arbeitslosen gegen den Unterhaltspflichtigen auf den Bund gem. § 203 Abs. 1 S. 2 SGB III eine unverzügliche Anzeige des Arbeitsamtes an den Leistungspflichtigen über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe voraus. Geschieht dies nicht, erwächst für denjenigen, der dem ...

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