Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanwendbarkeit der Mindestsätze gem. § 7 Abs. 1 HOAI. Ein Verstoß gegen die Formvorschriften des § 7 Abs. 1 HOAI führt nicht zur Unwirksamkeit einer Pauschalpreisabrede. Aus der HOAI ergibt sich keine Aussage in Bezug auf die übliche Vergütung, gem. § 632 Abs. 2 2. Alt. BGB.

 

Leitsatz (amtlich)

Die Formvorschriften des § 7 Abs. 1 HOAI dienen hauptsächlich dem nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4.7.2019 - C-377/17 - festgestellten - nicht mehr legitimen - Ziel, ein Abweichen von den Mindest- und Höchstsätzen zu erschweren. Der Zusammenhang mit diesen ist daher so eng, dass die Norm nicht teilbar ist und sich der Anwendungsvorrang des Unionsrechts auf den gesamten § 7 Abs. 1 HOAI bezieht.

Ein Verstoß gegen die Formvorschriften des § 7 Abs. 1 HOAI führt nicht zur Unwirksamkeit einer Pauschalpreisabrede. Die HOAI-Mindestsätze treffen keine Aussage in Bezug auf die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 2. Alt BGB.

 

Normenkette

BGB a.F. § 648a; BGB § 632 Abs. 2 Alt. 2; EGRL 123/2006 - Dienstleistungsrichtlinie Art. 15; HOAI § 7; ZPO § 301

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 88/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.05.2021; Aktenzeichen VII ZR 14/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.4.2019 verkündete Teilurteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 14 O 88/17 - aufgehoben und die Sache zur einheitlichen Entscheidung durch die 14. Zivilkammer, auch über die Kosten des Berufungsverfahren, an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 302.192,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beklagte und Widerkläger (im Folgenden: Beklagter) verlangt von der Klägerin und Widerbeklagten (im Folgenden: Klägerin) eine Sicherheitsleistung für die von ihm behaupteten Vergütungsforderungen.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten Anfang 2015 mit Architektenleistungen in Bezug auf ein Mehrfamilienhaus in der S.-Straße in Hannover. Der Beklagte sollte die Sanierung von zehn im Haus gelegenen Wohnungen begleiten. Während der Ausführungsplanung wurden noch drei weitere Wohnungen in die Planung einbezogen. Bis zum Abschluss des schriftlichen Architektenvertrages erfolgte die Tätigkeit des Beklagten aufgrund einer mündlichen Beauftragung. Die Bauantragsunterlagen und statischen Berechnungen wurden durch den Beklagten Mitte Februar 2015 erstellt und bei der Baubehörde zur Erlangung der Baugenehmigung eingereicht (Anlage B7). Die Baugenehmigung wurde Ende Oktober 2015 erteilt.

Der schriftliche Architektenvertrag wurde erst ca. ein Jahr später nach der mündlichen Beauftragung am 4./8.2.2016 geschlossen (Anlage K1). In diesem Vertrag vereinbarten die Parteien ein Pauschalhonorar von 190.000,00 EUR (netto). Grundlage der Honorarvereinbarung war eine vom Beklagten erstellte Kostenermittlung über die voraussichtlichen Gesamtbaukosten in Höhe von 1.048.726,00 EUR. Mit dem vereinbarten Pauschalhonorar sollten die vom Beklagten nach Ziffer 2 des Architektenvertrages geschuldeten Leistungen einschließlich der Zusatzleistungen nach Ziffer 5.3 und 5.4 und die Nebenkosten (Ziffer 5.8) abgegolten sein. Das Honorar wurde auf Grundlage der Honorarzone III bemessen. Im Falle einer Änderung des Leistungsumfangs auf Veranlassung der Klägerin während der Laufzeit des Vertrages sollte die dem Honorar zugrundeliegende Baukostenvereinbarung angepasst werden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren bereits Abschlagszahlungen in Höhe von 90.000,00 EUR erbracht worden.

Die Klägerin erkannte im Laufe des Bauvorhabens, dass die vom Generalunternehmer im Gebäude durchgeführten Umbau- und Sanierungsarbeiten mit Ausführungsmängeln behaftet waren. Insbesondere waren statische Mängel vorhanden. Der von der Klägerin beauftragte Tragwerksplaner Dipl.-Ing. W. stellte bei einer Besichtigung vor Ort am 27.9.2016 fest, dass die Standsicherheit des Gebäudes gefährdet und die darin befindlichen Mitarbeiter und Besucher gefährdet seien. Er fertigte einen Begehungsbericht, der dem Beklagten übermittelt wurde. Mit Schreiben vom 11.10. und vom 17.10.2016 (Anlagen K6 und K7) forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung auf, die Beseitigungsarbeiten zu planen, zu koordinieren und zu überwachen. Mit Schreiben vom 17.11.2016 (Anlage K9) erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung des Vertrages mit dem Beklagten, weil dieser nicht die Beseitigung der Ausführungsmängel koordiniert habe. Der Beklagte habe keinerlei Maßnahmen durchgeführt, um eine Beseitigung der ihm angezeigten Ausführungsmängel zu veranlassen.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung von überzahlter Vergütung in Höhe von 56.242,43 EUR. Dieser Betrag ergebe sich aus den geleisteten Abschlagszahlungen, die von der Klägerin ins Verhältnis zu den bislang von dem Beklagten geleisteten Arbeiten gesetzt wurden. Dieser Betrag ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte erstellte zunächst eine Sch...

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