Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung. Dienstleistungen im Binnenmarkt. Niederlassungsfreiheit. Honorare für Architekten und Ingenieure für Planungsleistungen. Mindest- und Höchstsätze

 

Normenkette

Richtlinie 2006/123/EG Art. 15; AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Kommission/ Deutschland

Europäische Kommission

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

3. Ungarn trägt seine eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 23. Juni 2017,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls, L. Malferrari und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch T. Henze und D. Klebs, dann durch D. Klebs als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie der Richter L. Bay Larsen, S. Rodin (Berichterstatter) und N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Februar 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für Architekten und Ingenieure beibehalten hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 heißt es:

„Der Begriff der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, auf den sich einige Bestimmungen dieser Richtlinie beziehen, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Artikeln 43 und 49 des Vertrags entwickelt worden und kann sich noch weiterentwickeln. Der Begriff umfasst entsprechend der Auslegung des Gerichtshofes zumindest folgende Gründe: … Schutz von Dienstleistungsempfängern; … Schutz der Umwelt und der städtischen Umwelt einschließlich der Stadt- und Raumplanung; … Schutz des geistigen Eigentums; kulturpolitische Zielsetzungen …”

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.”

Rz. 4

In Art. 15 dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

g) der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;

(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

  1. Nicht-Diskriminierung: [D]ie Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;
  2. Erforderlichkeit: [D]ie Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;
  3. Verhältnismäßigkeit: [D]ie Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

(5) In dem in Artikel 39 Absatz 1 genannten Bericht für die gegenseitige Evaluierung geben die Mitgliedstaaten an:

  1. welche Anforderungen sie beabsichtigen beizubehalten und warum sie der Auffassung sind, dass diese die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen;
  2. welche Anforderungen sie aufgehoben oder gelockert haben.

(6) Ab dem 28. Dezember 2006 dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Anforderungen der in Absatz 2 genannten Art einführen...

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