Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe in einer Familiensache: Berücksichtigung mietvertraglich geschuldeter Betriebsnebenkosten bei der Bedürftigkeitsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG in Abzug zu bringenden Kosten der Unterkunft und Heizung zählen im Falle eines Mietverhältnisses neben der Nettomiete (Kaltmiete) auch weitere Betriebskosten, jedoch weder die Kosten für Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung) noch für die Wasserver- und entsorgung, da diese bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf nach § 28 SGB XII abgedeckt werden. Dementsprechend sind die Aufwendungen für Strom, Gas (soweit jeweils nicht zum Beheizen der Wohnung verwendet) und Wasser in dem nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO mit derzeit 395 EUR abzusetzenden Freibetrag enthalten und können daher nicht gesondert abgezogen werden.

 

Normenkette

FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3; SGB XII § 28

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 04.10.2010; Aktenzeichen 621 F 3877/10)

 

Tenor

Die Beschwerde wird, soweit ihr das AG nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein am 9.8.2010 beim AG - Familiengericht - Hannover anhängig gewordenes einstweiliges Anordnungsverfahren zur Regelung des persönlichen Umgangs mit dem gemeinsamen Sohn der beteiligten Eltern, T. S., geb. am ... 2005, der seit der Trennung der Eltern bei dem Antragsgegner lebt, welcher seit August 2010 auch das Kindergeld bezieht.

Das AG hat der nunmehr in L. lebenden Antragstellerin, die dort als Sozialpädagogin auf Teilzeitbasis zu einem Nettoeinkommen von 1.018,20 EUR beschäftigt ist, Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihr ihre Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Dabei hat es auf die Verfahrenskosten zu zahlende Raten i.H.v. monatlich 45 EUR angeordnet. Es hat hierbei von dem vorgenannten Nettoeinkommen der Antragstellerin neben den gesetzlichen Freibeträgen von monatlich 395 EUR und 180 EUR als zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft die sich aus dem vorgelegten Mietvertrag ergebende Kaltmiete von monatlich 290 EUR sowie den unmittelbar an die Stadtwerke L. zu entrichtenden Abschlag für Gas i.H.v. monatlich 16 EUR abgezogen. Die in § 6 des Mietvertrags ebenfalls vereinbarte Betriebskostenvorauszahlung von monatlich 80 EUR hat das AG hingegen nicht in Abzug gebracht.

Gegen die angeordnete Ratenzahlung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie die Nichtberücksichtigung der mietvertraglich geschuldeten Betriebskostenvorauszahlung rügt. Darüber hinaus macht sie nunmehr auch konkrete berufsbedingte Fahrtkosten für die Fahrten zu ihrer 5 km entfernten Arbeitsstätte geltend. Sie ist der Auffassung, diese seien mit monatlich 66 EUR anzusetzen (5 km × 2 × 22 Tage × 0,30 EUR/km).

Ferner seien noch die Beiträge für ihre Kraftfahrzeugversicherung (monatlich 21,30 EUR), eine Privathaftpflicht- (monatlich 4,66 EUR) und eine Hausratsversicherung (monatlich 3,05 EUR) einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Das AG hat daraufhin die Fahrtkosten und die Versicherungsbeiträge in der geltend gemacht Höhe anerkannt und der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4.11.2010 dahingehend abgeholfen, dass es die zu zahlenden Raten auf monatlich 15 EUR herabgesetzt hat. Die teilweise Nichtabhilfe hat es damit begründet, dass Betriebskosten nicht abzugsfähig seien.

II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das AG hat die Höhe der zu zahlenden Raten auf die Verfahrenskosten im Ergebnis zutreffend lediglich auf monatlich 15 EUR herabgesetzt.

Zu Recht wendet die Antragstellerin allerdings ein, dass zu den nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG in Abzug zu bringenden Kosten der Unterkunft und Heizung neben der Nettomiete (Kaltmiete) auch weitere Betriebskosten zählen (OLG Koblenz, FamRZ 1997, 679; Zöller/Philippi, ZPO28, § 115 Rz. 34). Dies gilt jedoch nicht für sämtliche im Einzelfall mietvertraglich vereinbarten Betriebs- oder Mietnebenkosten, denn maßgeblich ist in diesem Zusammenhang weder die mietvertragliche Regelung noch der Betriebskostenbegriff des Mietrechts (vgl. die Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten - BetrKV - vom 25.11.2003, BGBl. I, 2346, 2347). Vielmehr knüpft die Bestimmung des § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO, wie sich bereits aus dessen Nr. 1 Buchst. a ergibt, an das System der Sozialhilfe und damit an die Vorschriften des SGB XII an (BGH, Beschl. v. 8.1.2008 - VIII ZB 18/08, FamRZ 2008, 781 = NJW-RR 2008, 595 [Tz. 8]). Der dortige Begriff der Kosten der Unterkunft und Heizung umfasst jedoch weder die Kosten für Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung) noch für die Wasserver- und entsorgung, da diese vielmehr bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf nach § 28 SGB XII abgedeckt werden (BGH, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 31.3.2006 - L 7 AS 343/05 ER; LSG Bad.-...

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