Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft, Anerkennbarkeit von Nebenkosten bei einem Eigenheim. Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Heizungskosten. Anforderungen an die Klageerhebung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die anzuerkennenden Nebenkosten einer Mietwohnung orientieren sich an der Betriebskostenverordnung nach § 556 BGB.

2. Kosten für Trinkwasser und Warmwasserbereitung gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II.

3. Bei den Nebenkosten eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung nach dem SGB II ist ein Erhaltungsaufwand iSd § 7 Abs. 2 der VO zur Durchführung des § 82 SGB XII anzuerkennen.

4. Heizungskosten bestimmen sich nach gebäude- und personenbezogenen Faktoren, so dass nicht ohne weiteres auf quadratmeterbezogene Pauschalwerte bei Altgebäuden zurückgegriffen werden kann.

 

Orientierungssatz

Im sozialgerichtlichen Verfahren kann auch dann von der Erhebung einer Klage ausgegangen werden, wenn ein an das Gericht gerichteter Schriftsatz ein Rechtsschutzbegehren erkennen lässt, ohne als Klage bezeichnet zu sein. Insoweit kann auch im Einzelfall ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zugleich als Klage ausgelegt werden.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 16.September 2005 wird geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter Vorbehalt der Rückforderung ab dem 8.September 2005 bis zum 30.Oktober 2005 Leistungen als Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 152,07€ zu gewähren, wobei die der Antragstellerin bereits zuerkannten Leistungen in Abzug zu bringen sind.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Höhe der nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu übernehmenden Kosten der Unterkunft.

Die im November 1948 geborene, allein stehende Antragstellerin ist Eigentümerin eines etwa 100 qm Wohnfläche umfassenden freistehenden Hauses, das wohl im Jahre 1900 errichtet wurde. Für den Erwerb des Hauses sind keine Finanzierungskosten zu tätigen. Das Haus wird durch eine Gaszentralheizung beheizt, die möglicherweise auch der Warmwasserversorgung dient. Die Abwässer des Hauses werden zunächst in einer Klärgrube und anschließend in einen in den vergangenen Jahren errichteten Klärteich eingeleitet.

Die Antragstellerin bewohnt in dem Haus eine etwa 50 qm Wohnfläche umfassende Wohnung, die aus zwei Zimmern, einer Küche und einem Bad besteht. Die zweite im Haus befindliche Wohnung zur Größe von etwa 48 qm hat die Antragstellerin vermietet; sie erhält monatlich eine Miete von 100,00 € , eine pauschale Zahlung auf die Heizungskosten in Höhe von 100,00 € und auf die Nebenkosten in Höhe von 56,00  €. Für den Bezug von Gas zahlt die Antragstellerin an das örtliche Energieversorgungsunternehmen monatlich insgesamt 200,00 €. Nach ihrem Vorbringen hat das Haus der Antragstellerin im Winter 2003/2004 am Dach einen Sturmschaden erlitten. Für die Reparaturkosten in Höhe von circa 1.500,00 € hat sie ein Privatdarlehen aufgenommen, das sie monatlich mit 60,00 € zurückzahlt. Weiterhin hat sie im Sommer des Jahres 2004 die Abwasseranlage um einen Klärteich erweitert, was von den örtlichen Baubehörden gefordert worden sei. Für die daraus sich ergebenden Kosten hat sie nach ihrem Vorbringen ein Privatdarlehen aufgenommen, das sie monatlich mit 100,00 € zurückzahlt.

In dem Gebiet, in dem die Antragstellerin wohnt, wurde eine Arbeitsgemeinschaft zur Durchführung des SGB II nicht gebildet. Auf ihren Antrag gewährte die Bundesagentur für Arbeit der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 für den Bewilligungszeitraum Januar bis April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Zuschlages und Kosten der Unterkunft in Höhe von 519,22 € beziehungsweise 439,22 € monatlich. Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 Widerspruch ein und rügte die unterlassene Berücksichtigung der Instandhaltungskosten bei ihren Kosten der Unterkunft. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2005 als unbegründet zurück. Soweit ersichtlich wurde dieser Bescheid bestandskräftig.

Im April 2005 beantragte die Antragstellerin die weitere Gewährung von Leistungen. Mit Bescheid vom 27. April 2005 gewährte daraufhin die Agentur für Arbeit C. der Antragstellerin für den Bewilligungszeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2005 monatlich Leistungen für den Lebensunterhalt in Höhe von 345,00 €. Mit Bescheid vom 11. Mai 2005 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den gleichen Bewilligungszeitraum Leistungen für die Unterkunft in Höhe von monatlich 78,50 €. Bei der Berechnung dieser Leistungen ging er offensichtlich davon aus, dass für das Haus verschiedene Nebenkosten in Höhe von monatlich 96,69 € anfielen und lediglich Heizungskosten in Höhe von 37,50 € monatlich als a...

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