Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedürftigkeit bei Bezug von Grundsicherungsrente

 

Leitsatz (amtlich)

In Höhe der von einem getrenntlebenden Ehegatten bezogenen Grundsicherungsrente ist die Bedürftigkeit und damit der Unterhaltsanspruch entfallen.

 

Normenkette

GSiG §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1; BGB § 1361

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 152 F 789/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - FamG - Bremerhaven v. 12.5.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt. Sie haben am 30.8.1996 die Ehe miteinander geschlossen, die seit dem 22.6.2004 rechtskräftig geschieden ist. Der Kläger, der eine lastenfreie Eigentumswohnung bewohnt, begehrt von der Beklagten die Zahlung von Trennungsunterhalt ab dem 1.1.2003. Seit diesem Zeitpunkt hat er eine Grundsicherungsrente i.H.v. durchschnittlich monatlich 512,97 Euro bezogen. Er ist dauerhaft voll erwerbsgemindert. Die Beklagte bezieht Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit als Verkäuferin.

Das FamG hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen dazu ausgeführt, der Unterhaltsbedarf des Klägers, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen auf monatlich 436 EUR belaufe, sei durch die von ihm bezogene Grundsicherungsrente gedeckt. Da das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz = GSiG) keinen Forderungsübergang auf den diese Leistung erbringenden Träger vorsehe, erscheine es nicht gerechtfertigt, dem Kläger über diese Leistungen hinaus noch Unterhalt nach § 1361 BGB zuzusprechen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die er zugleich begründet hat. Er ist der Ansicht, die bedarfsdeckende Anrechnung der Grundsicherungsrente auf den Unterhaltsanspruch sei rechtsfehlerhaft. Er erstrebt weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Trennungsunterhalt.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO), sie ist jedoch nicht begründet. Das FamG hat die dem Kläger gezahlte Grundsicherungsrente zu Recht als bedarfsdeckend berücksichtigt.

Gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1 GSiG haben Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder volljährige Personen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, einen Anspruch auf Grundsicherung, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten können. Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen gelten gem. § 3 Abs. 2 GSiG die §§ 76 bis 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und die dazu erlassenen Rechtsvorschriften entsprechend. Daher sind auch Unterhaltsleistungen Einkünfte i.S.d. GSiG (Fichtner, BSHG, 2. Aufl., § 76 Rz. 1, 22, m.w.N.). Unterhaltsansprüche ggü. Eltern und Kindern sowie allgemein ggü. Verwandten in gerader Linie beeinflussen den Anspruch nach dem GSiG allerdings nicht, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen, das nach § 16 SGB IV festzustellen ist, läge nicht unter 100.000 Euro (§ 2 Abs. 1 GSiG). Nicht erwähnt sind in diesem Zusammenhang getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten, was zur Folge hat, dass Unterhaltsansprüche, die ihnen ggü. bestehen, bei Gewährung einer Grundsicherungsrente grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Dies ist - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - vorliegend nicht geschehen. Dem Kläger sind in der Vergangenheit aufgrund der Gewährung der Grundsicherungsrente Mittel zugeflossen, durch die er den nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestehenden Bedarf decken konnte.

Ob in diesem Fall noch eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt besteht, ist umstritten (vgl. einerseits Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rz. 467c; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., vor § 1601 Rz. 33; andererseits Günther, FF 2003, 10 [14]; Klinkhammer, FamRZ 2002, 997 [1002]). Das OLG Zweibrücken hat in seiner Entscheidung v. 27.6.2003 (OLG Zweibrücken v. 27.6.2003 - 2 UF 151/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 452 = FamRZ 2003, 1850 [1852]) die Ansicht vertreten, eine gezahlte Grundsicherungsrente sei nicht bedarfsmindernd anzusetzen und nicht auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Leistungen nach dem GSiG seien wie freiwillige Leistungen Dritter zu bewerten. Die Sachlage sei insoweit vergleichbar mit der Gewährung von Sozialhilfe in den Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch auf der Berücksichtigung fiktiver Einkünfte des Unterhaltsschuldners beruhe und deshalb nicht auf den Träger von Sozialhilfe übergehe. In einen solchen Fall habe der BGH (BGH FamRZ 1999, 843 [847]) einen Unterhaltsanspruch des Berechtigten bejaht, und zwar ohne jegliche Korrekturmögl...

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