Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Erwerbsbemühungen eines Arbeitslosen. Kriterien für die Bemessung des fiktiven Einkommens des Unterhaltsverpflichteten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erwerbsbemühungen eines Arbeitslosen erfordern einen Zeitaufwand, der einer beruflichen Tätigkeit entspricht, was monatlich durch mindestens 20 Bewerbungen zu belegen ist.

2. Fehlen konkrete Anhaltspunkte für die Bemessung des bei gutem Willen erzielbaren aktuellen Einkommens, kann dies bei Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses am vormaligen Arbeitseinkommen orientiert werden.

3. Soweit wegen Ansatz eines fiktiven Einkommens beim Unterhaltspflichtigen Unterhaltsansprüchen nach § 91 Abs. 2 S. 1 BSHG (in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung) nicht auf den Sozialhilfeträger übergehen, entfällt die Bedürftigkeit des Berechtigten nicht.

4. Ausnahmsweise kann bei Erbringung von Sozialleistungen im Einzelfall nach Treu und Glauben der Unterhaltsanspruch beschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn andernfalls dem Schuldner künftig jede Chance der Entschuldung genommen wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 1361, 1603, 242

 

Verfahrensgang

AG Ludwigsburg (Urteil vom 28.02.2006; Aktenzeichen 2 F 1534/04)

 

Tenor

Dem Beklagten wird für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des AG Ludwigsburg - FamG - vom 28.2.2006 (2 F 1534/04) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.

 

Gründe

Die vom Beklagten gegen das Urteil des AG Ludwigsburg - FamG - vom 28.2.2006 beabsichtigte Berufung weist keine Erfolgsaussicht auf.

Der Beklagte ist der Klägerin nach § 1361 BGB zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet. Die Parteien sind seit 5.5.2004 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Das AG hat Getrenntlebensunterhalt für die Zeit von November 2003 bis Mai 2004 (jeweils einschließlich bzw. anteilig) zugesprochen. Das AG hat eine Leistungsfähigkeit des Beklagten aus bei gutem Willen erzielbaren Einkommen unter Berücksichtigung des geschuldeten bzw. gezahlten Kindesunterhalts festgestellt.

Die von Dezember 2003 bis Mai 2004 bestehende Arbeitslosigkeit des Beklagten rechtfertigt nach Aktenlage die Durchführung der Berufung nicht.

Grundsätzlich kann eine Arbeitslosigkeit des Unterhaltsschuldners auch bei der Bemessung des Trennungsunterhalts für die zwei minderjährige Kinder im Alter von 5 und 2 ½ Jahren betreuende Ehefrau berücksichtigt werden. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um eine vorübergehende Arbeitslosigkeit handeln und der arbeitsfähige Unterhaltsschuldner muss sich auch in ausreichendem Maße um eine Arbeitsstelle bemüht haben. Den Beklagten trifft nämlich nicht nur seinen minderjährigen Kindern, sondern auch der sie betreuenden Ehefrau gegenüber eine erweiterte Unterhaltspflicht mit gesteigerten Erwerbsobliegenheiten. So ist er verpflichtet, alle nur denkbaren Anstrengungen zur Erlangung einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit zu unternehmen. An den Nachweis der Leistungsunfähigkeit sind dabei hohe Anforderungen zu stellen. Der Beklagte hätte, sofern er keinen solchen Arbeitsplatz findet, seine hinreichenden Bemühungen um einen Arbeitsplatz darzulegen und - ggf. - zu beweisen gehabt. In der Rechtsprechung wird dabei gefordert, dass der Arbeitslose für die Suche nach Arbeit etwa die Zeit aufwendet, die ein Erwerbstätiger für seinen Beruf aufwendet, so dass monatlich mindestens 20 Bewerbungen erfolgen müssen (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht 6. Aufl., § 1 Rz. 527 m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend schon grundlegend. Bei dieser Sachlage wird der Beklagte jedenfalls mit dem Hinweis, er habe sich vielfach - allerdings unbelegbar - telefonisch und durch persönliche Vorsprache beworben und sei weiterhin seiner öffentlich-rechtlichen Erwerbsobliegenheit der Arbeitsagentur gegenüber im vollen Umfang nachgekommen, seiner Darlegungsverpflichtung nicht gerecht. Letzteres ist schon deswegen als Argument wenig hilfreich, weil entgegen der Auffassung des Beklagten seine unterhaltsrechtliche Anspannung höher anzusiedeln ist, wobei sie der öffentlich-rechtlichen nicht entspricht (Knittel, JAmt 2004, 397, 399; Klinkhammer, FamRZ 2004, 1913 Fn. 34).

Einschränkungen gesundheitlicher oder persönlicher Art konnte der Beklagte im Verfahren ebenfalls nicht geltend machen. Angesichts der am 25.5.2004 erfolgten Arbeitsaufnahme liegt es auch nicht nahe, eine grundsätzliche Vermittelbarkeit des Beklagten in Zweifel zu ziehen. Wenngleich Maßstab für die Bewertung der Leistungsfähigkeit das Entgelt ist, das der Unterhaltspflichtige bei erfolgreichen Bewerbungen hätte erzielen können, ist es nicht zu beanstanden, dass das FamG sich am vormals erzielten Nettoeinkommen orientiert hat. Denn der Beklagte trägt keinerlei konkreten Umstände vor, die nach seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten geeignet wären, dieses Vorgehen berechtigt in Frage zu stellen.

Soweit das FamG eine vom Beklagten geltend gemachte Verwirkung des Unterhaltsanspruchs verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden. Zu Unrecht wehrt sich der Beklagte für die Zeit von November 2003 bis 4.5.2004 auch gegen seine Inanspruchnah...

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