Corona-Überbrückungshilfe ist beim Unterhalt zu berücksichtigen

Die Corona-Überbrückungshilfe erhöht die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und ist als reguläres Einkommen zu werten, erhaltene Corona-Soforthilfen dagegen nicht.

Diese Differenzierung zwischen Corona-Überbrückungshilfen und Corona-Soforthilfen folgt aus einem jetzt bekannt gewordenen Urteil des OLG Bamberg, das das sogenannte Überbrückungsgeld III als Einkommen des Unterhaltsschuldners gewertet hat.

Überbrückungshilfe führte Gastronomiebetriebe in die Gewinnzone

Dem vom OLG entschiedenen Fall lag die Klage einer Ehefrau auf Zahlung von Trennungsunterhalt u.a. für das Jahr 2021 zu Grunde. Der Ehemann hatte im Rahmen des Betriebs einer Gaststätte im Jahr 2021 im Rahmen der allgemeinen staatlichen Corona-Hilfen ein Überbrückungsgeld III in Höhe von ca. 61.000 EUR erhalten. Hierdurch wurde nach den Berechnungen des Steuerberaters ein sonst im Rahmen des Gastronomiebetriebs erlittener Verlust in Höhe von etwa 18.500 EUR vermieden und gemäß der steuerrechtlichen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein positives Betriebsergebnis in Höhe von ca. 41.000 EUR erzielt.

Gastronom hält Überbrückungshilfe für unterhaltsrechtlich unerheblich

Zwischen den Parteien war streitig, inwieweit die Überbrückungshilfe III als Billigkeitsleistung des Staates zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Betriebsinhabers bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen ist. Der Gastronom vertrat den Standpunkt, mit der Überbrückungshilfe III würden lediglich betriebliche Fixkosten erstattet, die Überbrückungshilfe sei daher nicht als unterhaltsrechtliches Einkommen zu werten.

Überbrückungshilfe III erfasst sekundär auch die Unterhaltsberechtigten

Dies sah das OLG – wie schon die Vorinstanz – anders. Die staatliche Überbrückungshilfe erspare dem Betriebsinhaber eigene Aufwendungen. Die Überbrückungshilfe III knüpfe an betriebliche Kennzahlen mit dem Zweck des Ausgleichs erheblicher Umsatzausfälle an und habe damit im Ergebnis den Effekt einer Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers. Nach ihrem Sinn und Zweck erfasse die Überbrückungshilfe damit sekundär auch die wirtschaftlich von dem Beihilfebezieher abhängigen Unterhaltsberechtigten.

Überbrückungshilfe hat Finanzkraft des Betriebs deutlich verbessert

Nach Auffassung des OLG würde eine Nichtberücksichtigung der Überbrückungshilfe bei der unterhaltsrechtlichen Gewinnermittlung dazu führen, dass trotz objektiv gegebener Leistungsfähigkeit der Unterhaltsschuldner für das Jahr 2021 zur Unterhaltszahlung nicht verpflichtet wäre, da er ohne die Überbrückungshilfe einen Verlust erzielt hätte. Die erhaltene steuerfreie Überbrückungshilfe III habe im konkreten Fall sogar dazu geführt, dass das Jahresergebnis 2021 die vor der Corona-Pandemie erzielten Jahresergebnisse in den Jahren 2018 und 2019 deutlich übertraf und sich damit die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsschuldners im Verhältnis zu den vor der Pandemie liegenden Jahren deutlich verbessert habe.

Nichtberücksichtigung der Überbrückungshilfe wäre unbillig

Angesichts der deutlichen Verbesserung der realen wirtschaftlichen Lage des Unterhaltsverpflichteten wäre eine Nichtberücksichtigung der Überbrückungshilfe im Rahmen der Berechnung seiner Leistungsfähigkeit daher nach Auffassung des Senats auch mit unterhaltsrechtlichen Billigkeitsgesichtspunkten nicht zu vereinbaren.

Mögliche Rückzahlungsverpflichtung hätte Unterhaltsschuldner darlegen müssen

Diesem Ergebnis steht nach der Bewertung des Gerichts nicht entgegen, dass die Überbrückungshilfe über einen prüfenden Dritten schlussabzurechnen ist und hieraus möglicherweise Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Staat entstehen können. Gegebenenfalls hätte der Unterhaltsschuldner substantiiert Umstände vortragen müssen, aus denen sich eine teilweise Rückzahlungsverpflichtung konkret ergeben könnte.

Umstände sprechen gegen Rückzahlungspflicht

Da die Antragstellung durch den Steuerberater des Unterhaltsschuldners auf Grundlage betrieblicher Kennzahlen erfolgt ist, besteht nach Auffassung des Senats eine Vermutung dahingehend, dass die erhaltene Überbrückungshilfe der Höhe nach in etwa mit den tatsächlich bestehenden Ansprüchen des Gastronomen übereinstimmt. Sollte es in einem der Folgejahre dennoch zu einer Rückzahlung kommen, so sei dies in dem betreffenden Jahr gegebenenfalls gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Anspruch auf Trennungsunterhalt gegeben

Nach der Entscheidung des OLG hat der Gastronom im Jahr 2021 infolge der erhaltenen Überbrückungshilfe III einen Gewinn erzielt und ist daher im Hinblick auf die Forderung der Ehefrau auf Zahlung von Trennungsunterhalt für das Jahr 2021 leistungsfähig und zur Zahlung verpflichtet.

(OLG Bamberg, Beschluss v. 21.4.2022, AK 14/22 u. AK 18/22)

Hintergrund:

Die im Rahmen der Corona-Pandemie erbrachten Leistungen des Staates an selbstständige Unternehmer aber auch an Familien, werfen im Unterhaltsrecht eine ganze Reihe von Fragen auf. Die unterhaltsrechtliche Bewertung der von selbstständigen Unternehmern, Betriebsinhabern und von Familien erhaltenen Corona-Hilfen wird in der Rechtsprechung differenziert behandelt.

Corona-Soforthilfen bei der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht zu berücksichtigen

Das OLG Frankfurt hatte in einer Entscheidung über den Einfluss erhaltener Corona-Soforthilfen auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entschieden, dass diese als staatliche Zuschussleistung für entstandene existenzielle Notlagen nach ihrem Sinn und Zweck keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners bewirken sollen, sondern der Begleichung von betrieblichen Verbindlichkeiten dienen und damit bei der Berechnung des Unterhalts nicht zu berücksichtigen sind (OLG Frankfurt, Urteil v. 26.4.2021, 8 UF 28/20). Aus dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung ist die Corona-Soforthilfe nach einer Entscheidung des BGH deshalb auch nicht pfändbar (BGH, Beschluss v. 10.3.2021, VII ZB 24/20).

Sinn und Zweck der Überbrückungshilfe anders als bei Corona-Soforthilfen

Der Entscheidung des OLG Frankfurt zur Berücksichtigungsfähigkeit von Corona-Soforthilfen widerspricht auch das OLG Bamberg in seiner aktuellen Entscheidung nicht. Nach Auffassung des OLG Bamberg ist die Überbrückungshilfe III nach ihrer Zielrichtung klar von den gezahlten staatlichen Corona-Soforthilfen abzugrenzen. Die Corona-Soforthilfe diene – anders als das Überbrückungsgeld – als zweckgebundene Leistung der Hilfestellung bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen. Nach ihrem Sinn und Zweck stehe die Corona-Soforthilfe daher nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung und sei bei der Berechnung des eheangemessenen Lebensbedarfs deshalb nicht zu berücksichtigen.

Corona-Kinderbonus vermindert den Unterhaltsbedarf

Der im Jahr 2021 einmalig gezahlte Kinderbonus von 150 EUR pro Kind ist nach einer Entscheidung des OLG Koblenz mit dem Kindergeld vergleichbar und deshalb bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs eines Kindes zu berücksichtigen. Nach Ansicht des OLG ist der Bedarf minderjähriger Kinder im jeweiligen Monat um die Hälfte des gezahlten Bonus, bei volljährigen Kindern um den vollen Bonusbetrag zu kürzen (OLG Koblenz, Beschluss v. 1.12.2020, 13 UF 375/20).


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