Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsrechtlicher Einkommenscharakter der Corona-Überbrückungshilfe III

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einnahmen aus der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) sind gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen (in Abgrenzung zu OLG Frankfurt, Beschluss v. 26.04.2021, Az. 8 UF 28/20 für die in den ersten Monaten der Pandemie ausgezahlte Corona-Soforthilfe).

2. Anders als Corona-Soforthilfen, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle.

3. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona-Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.

 

Normenkette

BGB § 1361

 

Verfahrensgang

AG Gemünden am Main (Aktenzeichen S 004 F 524/18)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 21.12.2021, Az. 4 F 524/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Ehegattengetrenntlebensunterhalt für den Zeitraum 01.10.2018 bis 02.03.2022 in Höhe von 17.965,99 Euro zu zahlen.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden der Beteiligten zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 45 % und der Antragsgegner zu 55 %.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.008,30 Euro festgesetzt. In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wird der Verfahrenswert für das Verfahren erster Instanz auf 10.296,00 Euro festgesetzt.

VI. Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Zahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

 

Gründe

I. Verfahrensgegenständlich sind Ansprüche auf Ehegattengetrenntlebensunterhalt zwischen den Beteiligten im Zeitraum 01.10.2018 bis 02.03.2022.

1. Die Beteiligten heirateten am ...2003. Es war für beide Beteiligte die zweite Ehe. Gemeinsame Kinder gingen aus der Ehe nicht hervor. Seit dem 13.11.2017 lebten die Beteiligten getrennt, die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 23.10.2018. Nach beidseitigem Rechtsmittelverzicht ist der Endbeschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 21.12.2021, mit dem die Ehe der Beteiligten geschieden wurde, mit Eingang der Verzichtserklärungen beim Beschwerdegericht im Laufe des 02.03.2022 rechtskräftig geworden.

Während der Ehezeit betrieb die Antragstellerin zuletzt in selbständiger Tätigkeit die Gaststätte "..." in .... Zu Beginn des Jahres 2018 gab die Antragstellerin diese Tätigkeit auf. Sie ist seitdem ohne eigene Einkünfte. Gemäß erstinstanzlich eingeholtem arbeitsmedizinischen Gutachten vom 12.07.2021 (Bl. 264 d.A.) ist die Antragstellerin dauerhaft erwerbsunfähig. Sie erhält Leistungen nach SGB II, die ihr zur gerichtlichen Geltendmachung vom Leistungsträger rückübertragen wurden (Bl. 213 d.A.).

Der Antragsgegner war während des Zusammenlebens der Beteiligten zuletzt als angestellter Koch in der Gaststätte der Antragstellerin tätig. Mit Wirkung zum 05.01.2018 führte er dann in selbständiger Tätigkeit die zuvor von der Antragstellerin betriebene Gaststätte "..." fort.

Die Beteiligten führten im Verfahren 4 Ca 156/18 ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Würzburg. In diesem machte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner wegen des Vorwurfs unberechtigter Privatentnahmen des Antragsgegners eine Forderung von 10.887,64 EUR geltend. Mit Endurteil vom 08.08.2018 wurde der Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin 387,64 EUR zu zahlen. In Höhe von weiteren 249,90 EUR wurde die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen, wobei die Klageabweisung in Höhe von 4.500,00 EUR aufgrund einer wirksamen Aufrechnung des Antragsgegners erfolgte. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Rechtsstreits wird auf die Entscheidungsgründe des Endurteils vom 08.08.2018 Bezug genommen (Bl. 13 d.A.). Weiterhin erteilte die Antragstellerin am 28.02.2018 dem Versorger "..." mündlich einen Auftrag zur Belieferung mit Strom und Gas für die von ihr allein genutzte Wohnung (Bl. 35 d.A.), wobei sie ohne Wissen und Zustimmung des Antragsgegners in dessen Namen auftrat.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich im Wege der Stufenklage Getrenntlebensunterhaltsansprüche ab Oktober 2018 geltend gemacht, die sie nach Erledigung der Auskunftsstufe mit monatlich 792,0...

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