Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfache Signatur. elektronischer Rechtsverkehr. Einzelanwalt. Anforderungen an die einfache Signatur eines Dokuments bei Pflicht zur elektronischen Übermittlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die einfache Signatur (Wiedergabe des Namens am Ende des Textes) ist bei der Übermittlung von Dokumenten gemäß der zweiten Variante des § 32 a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist (Anschluss: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. September 2021, 17 W 13/21; OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Januar 2023, 13 ME 23/23; entgegen: BAG, Beschluss vom 25. August 2022, 2 AZN 234/22).

 

Normenkette

StPO § 32a Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 2, § 32d S. 2; OWiG § 110c S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hann. Münden (Entscheidung vom 25.11.2022; Aktenzeichen 9 OWi 285 Js 5457/22)

 

Tenor

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hann. Münden vom 25. November 2022 wird abgelehnt.

2. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das genannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hann. Münden hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h mit einer Geldbuße von 120,- EUR belegt.

Mit qualifiziert signiertem elektronischem Schreiben seines Verteidigers vom 25. November 2022 (bei Gericht eingegangen am selben Tag) hat der Betroffene mit dem Ziel der Überprüfung dieses Urteils einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Nach Zustellung des Urteils am 4. Januar 2023 hat der Betroffene mit weiterem Verteidigerschreiben vom 1. Februar 2023 den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde begründet. Die Begründung des Zulassungsantrags ist dem Amtsgericht Hann. Münden am 1. Februar 2023 über das besondere elektronische Postfach des Verteidigers zugeleitet worden. Das Schreiben ist nicht qualifiziert signiert und es ist lediglich mit dem Wort "Rechtsanwalt" unterzeichnet. Ein Name ist der Unterschrift nicht zu entnehmen.

Der Verteidiger des Betroffenen ist mit Verfügung des Senats vom 28. März 2023 darauf hingewiesen worden, dass die Begründung des Zulassungsantrags, die wegen § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c OWiG elektronisch zu erfolgen habe, gemäß § 32a Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG unwirksam angebracht sein könnte. Er hat dieser Auffassung mit Verteidigerschreiben vom 23. März 2023 und vom 5. April 2023 die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 25. August 2022, 2 AZR 234/22) entgegengehalten, wonach die fehlende Unterzeichnung mit dem Namen des verantwortenden Rechtsanwalts die wirksame Begründung des Zulassungsantrags nicht beeinträchtige, wenn, wie hier, aus dem Briefkopf hervorgehe, dass der Verteidiger als Einzelanwalt tätig sei. Ohnehin sei in der Einzelkanzlei des Verteidigers, der die Begründung des Zulassungsantrags zudem selbst versandt habe, kein weiterer Rechtsanwalt tätig.

Mit qualifiziert signiertem Schreiben vom 17. Mai 2023 hat der Verteidiger vertiefend zur Wirksamkeit seiner Begründung des Zulassungsantrags vorgetragen. Ergänzend hat er sich auf einen Artikel der Bundesrechtsanwaltskammer vom November 2022 bezogen. Die Bundesrechtsanwaltskammer habe den genannten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts aufgegriffen und ausgeführt, dass dieser Beschluss die Anforderungen für Einzelanwälte präzisiere. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und der Veröffentlichung der Bundesrechtsanwaltskammer habe der Verteidiger davon ausgehen können, dass die Begründung des Zulassungsantrags wirksam sei. Im genannten Schreiben vom 17. Mai 2023 hat er zudem vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zugleich hat er - allerdings beim Senat - einen erneuten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt, zu dessen Begründung aber nur darauf hingewiesen, dass er "bereits umfassend Stellung genommen" habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig hat beantragt wie erkannt. Der Zulassungsantrag sei als unzulässig zu verwerfen, weil auch dann, wenn lediglich ein einzelner Anwalt im Briefkopf genannt sei, nicht ausgeschlossen werden könne, dass andere Berufsträger in der Kanzlei praktizierten und die Verantwortung für den Inhalt des Schreibens übernehmen wollten. Zudem sei auch im Falle einer Urlaubsvertretung aus dem Briefkopf keine Sicherheit über die Identität des Unterzeichners zu erlangen. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht.

II.

1.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig, denn er wurde nicht formgerecht begründet.

Gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 StPO muss die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde spätestens binne...

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