Entscheidungsstichwort (Thema)

Abstand. Abstandsmessung. Messverfahren. standardisiert. Toleranzabzug. Sachrüge. Pflichtenverstoß. Fahrverbot. Vorahndungslage. Beharrlichkeit. Bezugnahme. Außenwelt. Urkunde. Abbildung. Eichschein. Konformitätsnachweis. Messprotokoll. Schulungsnachweis. Lebensakte. Gerätstammkarte. Videodistanzauswertung. Beobachtungsstrecke. Fahrmanöver. Einscheren. Abbremsen. Urteilsgründe. Beweiswürdigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Eichscheinen handelt es sich ebenso wie bei Konformitätsnachweisen, Messprotokollen, Schulungsnachweisen, Gerätestammkarten oder Videodistanzauswertungen um Urkunden und nicht um die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildungen, weshalb eine Bezugnahme gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausscheidet (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschluss vom 7. August 2017, 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78 und OLG Hamm, Beschluss vom 11. Mai 2017, 4 RBs 152/17 [bei juris]).

2. Erfüllt die Abstands- oder Geschwindigkeitsmessung die Voraussetzungen eines standardisierten‚ Messverfahrens und ergibt sich aus den Urteilsgründen zweifelsfrei, dass der Verkehrsverstoß unter Vornahme des gebotenen Toleranzabzugs ermittelt wurde, stellt es für sich genommen grundsätzlich keinen sachlich-rechtlichen Urteilsmangel dar, wenn sich die Verurteilung hinsichtlich des Messvorgangs auf die Mitteilung des Messverfahrens, die errechnete Geschwindigkeit und gegebenenfalls die Länge des vorwerfbaren Abstandes beschränkt. Denn diese Angaben bilden die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung, weshalb ein Beruhen des Urteils i.S.v. § 337 Abs. 1 StPO auf einer unzulässigen Bezugnahme auf Urkunden ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann.

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 2a S. 1; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2; StVO § 4 Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4; StPO §§ 249, 267 Abs. 1, § 349 Abs. 2; OWiG § 71 Abs. 1

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug (§§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG angeordnet. Nach den Feststellungen steuerte der Betroffene am Nachmittag des 28.03.2017 einen Pkw auf einer Autobahn, wobei er in Höhe der Messstelle bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von (mindestens) 158 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug statt des gebotenen Mindestabstandes von 79 m lediglich einen solchen von maximal 32 m und damit von weniger als 5/10 des halben Tachowertes (vgl. Nr. 12.7.1 Tab. 2 Anhang BKat) einhielt. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

I.

In sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft "wegen der Einzelheiten" auf die bei den Akten befindlichen und jeweils das als .standardisiert anerkannte verfahrensgegenständliche Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystems .VKS 3.0 betreffenden Eichscheine des Bayerischen Landesamts für Maß und Gewicht vom 24.01.2017 und des Landesamts für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz vom 17.11.2016 gemäß § 71 Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen hat.

a) Denn bei den Eichscheinen handelt es sich ebenso wie bei Konformitätsnachweisen, Messprotokollen, Schulungsnachweisen, der sog. .Lebensakte bzw. Gerätstammkarte oder Videodistanzauswertungen um (regelmäßig zu verlesende) Urkunden im Sinne von § 249 StPO und gerade nicht um die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildungen i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, weshalb eine Bezugnahme nach dieser Vorschrift ausscheidet; der Tatrichter hat diese Beweismittel vielmehr im Urteil in einer aus sich heraus verständlichen Form zu würdigen (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 07.08.2017 - 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78 und OLG Hamm, Beschluss vom II. 05.2017 - 4 RBs 152/17 [bei juris]; ferner schon OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.11.2004 - 1 Ss [OWi] 210 B/04 = DAR 2005, 97 = StraFo 2005, 120 = NStZ 2005, 413; OLG Hamm, Beschluss vom 07.01.2009 - 3 Ss OWi 948/08 = NStZ-RR 2009, 151 = NZV 2009, 303 [Ls.] sowie OLG Schleswig, Beschluss vom 06.01.2011 - 1 Ss OWi 209/10 = VA 2011, 64; siehe auch Göhler/Se/tZBauer OWiG 17. Aufl. [2017] § 71 Rn 42 ff. und Burhoff [Hrsg.]/G/eg HB OWi-Verfahren 5. Aufl. [2018] Rn. 144, jeweils m.w.N.).

b) Jedoch greift die Beanstandung der Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht durch, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf dem festgestellten Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn zur Erfüllung der gebotenen sachlich-rechtlichen Darstellungsanforderungen bedur...

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