Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung für das Entstehen einer Einigungsgebühr in Fällen des § 1666 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weil Ziffer 1003 Abs. 2 VV RVG dem Wortlaut nach von "Kindschaftssachen" spricht und es dem Gesetzgeber darum ging, "die streitvermeidende oder - beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken" (vgl. BT-Drs 15/1971, 204), ist die Regelung auch in einem Verfahren nach § 1666 BGB anwendbar.

2. Eine zwischen dem Jugendamt (Muss-Beteiligter nach § 162 Abs. 2 FamFG) und den Eltern (Muss-Beteiligte nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) abgeschlossene Vereinbarung kann insoweit eine gerichtliche Entscheidung (nämlich: die Anordnung von Geboten nach § 1666 Abs. BGB) entbehrlich machen.

 

Normenkette

BGB § 1666; RVG § 45 ff.; VV RVG Ziff. 1000; VV RVG Ziff. 1003 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hof (Aktenzeichen 002 F 768/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Kindsmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hof vom 08.03.2023 abgeändert wie folgt:

Die Rechtsanwalt A aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenvergütung wird auf 1.181,67 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kindsmutter wurde im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 17.11.2022 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Rechtsanwalt A wurde als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

Eingeleitet wurde das Verfahren nach einer Mitteilung des zuständigen Jugendamtes Hof. Mit Schreiben vom 29.09.2022 wurde angeregt, die Mutter im Rahmen einer Erörterung nach §§ 1666 BGB, 157 FamFG dazu zu motivieren, einen Antrag auf stationäre Jugendhilfe für ihren Sohn Z zu stellen. Andernfalls müsse vom Jugendamt in Erwägung gezogen werden, zum Schutz der Tochter W den Entzug der elterlichen Sorge zu beantragen.

Das Verfahren, das Z betrifft, wurde vom Familiengericht unter dem Aktenzeichen AG Hof 2 F 767/22 bearbeitet.

Das hiesige Verfahren endete am 15.11.2022 nach Anhörung der Eltern und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes durch folgenden Beschluss:

1. Familiengerichtliche Maßnahmen sind derzeit nicht erforderlich.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Unmittelbar zuvor schlossen die Beteiligten laut Vermerk über die Sitzung folgende Vereinbarung:

1. Die Kindsmutter erklärt sich bereit, einen Drogentest auf Verlangen des Jugendamts zu machen.

2. Die Kindsmutter erklärt sich bereit, weiterhin mit dem Jugendamt - und insbesondere mit der SPFH - zusammenzuarbeiten.

Am 21.11.2022 beantragte Rechtsanwalt A, seine Vergütung (ausgehend von einem Wert von 4.000 EUR unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr und einer Einigungsgebühr zuzüglich Pauschale und Steuern) auf insgesamt 1.181,67 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 13.02.2023 wurde die nach § 49 RVG aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung mit der Begründung, dass eine Einigungsgebühr nicht angefallen sei, auf (nur) 850,85 EUR festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung wendete sich der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit Erinnerung vom 06.03.2023 und dem Vorbringen, dass eine Einigungsgebühr sehr wohl berücksichtigt werden müsse. Die Herstellung eines Einvernehmens habe nämlich dazu gedient, die Angelegenheit einer schnellen und ökonomischen Erledigung zuzuführen. Andernfalls wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.

Der zuständige Rechtspfleger half der Erinnerung nicht ab. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 08.03.2023 wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Amtsgerichts liegt keine Einigung der Beteiligten vor. Ausgeführt wurde insoweit:

Eine Einigung im Sinne des VVRVG Nr. 1000, 1003 setzt einen Vertrag, zumindest aber ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Ein solches ist vorliegend nicht gegeben. Gegenstand des Verfahrens war die elterliche Sorge. Diese steht nicht zur Disposition der Beteiligten, so dass eine verfahrensbeendende Einigung nicht möglich ist. Ferner wurde das Verfahren durch Beschluss beendet.

Gegen die ihm am 09.03.2023 zugestellte Entscheidung legte Rechtsanwalt A mit am 23.03.2023 eingegangenem Schriftsatz erneut "Erinnerung" ein.

Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 24.03.2023 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor. Der Einzelrichter übertrug das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache mit Beschluss vom 30.03.2023 auf den Senat.

II. Die nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 und 4 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 200 EUR.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Abänderung der vom Amtsgericht am 08.03.2023 getroffenen Entscheidung.

Zutreffend führt der Verfahrensbevollmächtigte der Kindsmutter aus, dass die ihm nach §§ 45 ff RVG zustehende Vergütung aus der Staatskasse tatsächlich nicht (nur) 850,85 EUR, sondern 1.181,67 EUR beträgt.

Denn entgegen den Ausführungen ...

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