Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfall der Einigungsgebühr nach Ziffer 1003 Abs. 2 VV RVG in Fällen des § 1666 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weil Ziffer 1003 Abs. 2 VV RVG dem Wortlaut nach von "Kindschaftssachen" spricht und es dem Gesetzgeber darum ging, "die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken", ist die Regelung nach zutreffender Ansicht auch in einem Verfahren nach § 1666 BGB anwendbar.

2. Es ist dabei ohne Bedeutung, dass das Familiengericht vorliegend feststellte, gerichtliche Maßnahmen seien "derzeit" entbehrlich. Diese Formulierung ist darauf zurückzuführen, dass das Gericht nach § 166 Abs. 3 FamFG die getroffene Entscheidung, wenn von Maßnahmen nach §§ 1666 ff BGB abgesehen wurde, in einem angemessenen Zeitraum überprüfen soll.

3. Sind nach Überprüfung Maßnahmen des Familiengerichts weiterhin nicht erforderlich, führt die Vereinbarung zur Beendigung des Verfahrens, ohne dass hierfür eine gerichtliche Entscheidung notwendig war.

 

Normenkette

BGB § 1666 ff.; FamFG § 166 Abs. 3; RVG § 33 Abs. 3-4, § 45 ff., § 56 Abs. 2; VV RVG Ziff. 1000; VV RVG Ziff. 1003 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hof (Aktenzeichen 002 F 767/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Kindsmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hof vom 07.03.2023 abgeändert wie folgt:

Die Rechtsanwalt C. aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenvergütung wird auf 1.126,04 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kindsmutter wurde im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 17.11.2022 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Rechtsanwalt C. wurde als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

Eingeleitet wurde das Verfahren nach einer Mitteilung des zuständigen Jugendamtes X. Mit Schreiben vom 29.09.2022 wurde angeregt, die Mutter im Rahmen einer Erörterung nach §§ 1666 BGB, 157 FamFG dazu zu motivieren, einen Antrag auf stationäre Jugendhilfe für ihren Sohn K. zu stellen. Andernfalls müsse vom Jugendamt in Erwägung gezogen werden, zum Schutz der Tochter E. den Entzug der elterlichen Sorge zu beantragen.

Das Verfahren, das E. betrifft, wurde vom Familiengericht unter dem Aktenzeichen AG Hof 2 F .../22 bearbeitet.

Das hiesige Verfahren endete am 15.11.2022 nach Anhörung der Eltern und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes durch folgenden Beschluss:

1. Familiengerichtliche Maßnahmen sind derzeit nicht erforderlich.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Unmittelbar zuvor schlossen die Beteiligten laut Vermerk über die Sitzung folgende Vereinbarung:

1. Die Kindsmutter erklärt sich bereit, auf Anforderungen des Jugendamtes einen Drogentest durchzuführen.

2. Die Beteiligten sind sich dahingehend einig, dass mit K. die Clearing-Stelle in W. nächste Woche besichtigt wird.

3. Die Kindsmutter erklärt sich bereit, weiterhin mit dem Erziehungsbeistand und der SPFH zusammen zu arbeiten.

Am 22.11.2022 beantragte Rechtsanwalt C., seine Vergütung (ausgehend von einem Wert von 4.000 EUR unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr und einer Einigungsgebühr zuzüglich Pauschale und Steuern abzüglich anzurechnender Beratungshilfe) auf insgesamt 1.126,04 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 13.02.2023 wurde die nach § 49 RVG aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung mit der Begründung, dass eine Einigungsgebühr nicht angefallen sei, auf (nur) 795,22 EUR festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung wendete sich der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit Erinnerung vom 28.02.2023 und dem Vorbringen, dass durch die Mitwirkung der Kindesmutter ein gerichtlicher Beschluss überflüssig wurde. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg ist in diesen Fällen eine Erledigung eingetreten und eine Einigungsgebühr angefallen.

Der zuständige Rechtspfleger half der Erinnerung nicht ab. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 07.03.2023 wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Amtsgerichts liegt keine Einigung der Beteiligten vor. Ausgeführt wurde insoweit:

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet. Vorliegend war Gegenstand des Verfahrens die elterliche Sorge im Rahmen des § 1666 BGB. Die elterliche Sorge steht zu keinem Zeitpunkt zur Disposition der Kindseltern oder des Jugendamtes, sondern es bedarf immer einer gerichtlichen Entscheidung. Eine Einigung im Sinne der Vorschrift ist nicht entstanden, da diese eine vertragliche Regelung zugrunde liegen hat. Gerade unterliegt die elterliche Sorge nicht der Disposition der Eltern oder des Jugendamtes, sodass eine Vereinbarung hierüber nicht möglich ist. Das Verfahren wurde vielmehr mit der Feststellung beendet, dass familiengerichtliche Maßnahmen derzeit nicht erforderlich sind. Andernfalls würde dieses Verfahren weiterlaufen. Die Einigungsgebühr war daher nicht festzusetzen.

Gegen die ihm am 10.03.2023 zugestellte Entscheidung legte Rechtsanwalt C. mit am 24.03.2023 eingegangenem Schriftsatz Rechtsmittel ein...

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