Verfahrensgang

AG Fürstenfeldbruck (Entscheidung vom 22.03.2010; Aktenzeichen 6 OWi 56 Js 42473/09)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 22. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht Fürstenfeldbruck zurückverwiesen.

 

Gründe

I. 1. Das Amtsgericht hat den von der sich bereits aus § 73 Abs. 1 OWiG ergebenden (vgl. insoweit Ziff. 2 der Verfügung vom 04.01.2010 - Bl. 22 d.A.) Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und auch nicht anwesenden oder von einem im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertretenen Betroffenen am 22.03.2010 wegen einer - aufgrund Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch - rechtskräftig festgestellten, fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h zu einer Geldbuße von 140,00 € verurteilt und ein mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

In dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 22.03.2010 ist u.a. festgestellt, dass der Richter durch Verlesen der Urteilsformel und mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe das 'anliegende' Urteil verkündet hat. Bei diesem dem Protokoll als Anlage beigefügten Schriftstück handelt es sich um einen von dem Tatrichter ausgefüllten Vordruck, der - handschriftlich eingetragen - neben dem Aktenzeichen und dem Datum "22.3.10" die Personalien des Betroffenen und den vollständigen Tenor des angefochtenen Urteils nebst der angewendeten Vorschriften enthält und von dem Tatrichter unterzeichnet ist. Mit Verfügung vom 23.03.2010, am Tag der Fertigstellung des Protokolls, hat der Tatrichter die Zustellung einer Protokollabschrift an den Verteidiger (und an den Betroffenen) verfügt. Die Zustellung ist am 29.03.2010 bewirkt worden. Am 21.04.2010 sind sodann die von dem Tatrichter gefertigten schriftlichen Urteilsgründe zu den Akten gelangt und dem Verteidiger aufgrund richterlicher Anordnung vom 22.04.2010 am 24.04.2010 zugestellt worden.

Mit der am 30.03.2010 eingelegten und mit am 26.04.2010 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat - vorläufigen - Erfolg, da das dem Verteidiger des Betroffenen am 29.03.2010 zugestellte, für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe enthält und eine Ergänzung durch die am 21.04.2010 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unzulässig ist.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hat hierzu in ihrer Antragsschrift vom 14.06.2010, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt hat, ausgeführt:

"Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob nach der am 29.03.2010 erfolgten Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls, das den Urteilstenor, nicht aber Urteilsgründe enthielt, die Fertigung der am 21.04.2010 und damit innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe zulässig war - ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedarf -, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext auf die Sachrüge hin vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (OLG Bamberg ZfS 2006, 592 = VM 2007 Nr. 27; OLG Köln VRS 63, 460/461; BayObLG NStZ 1991, 342 = NZV 1991, 324/325; OLG Düsseldorf MDR 1993, 894; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; KG VRS 108, 278).

Im Bußgeldverfahren ist, wie auch im Strafverfahren, unabhängig von der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO die nachträgliche Ergänzung eines nicht mit Gründen versehenen, also abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe grundsätzlich unzulässig, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz entsprechende Ausnahmen zulässt (BGHSt 43, 22/26; BayObLG ZfS 2004, 382; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121 = VRS 106, 61; OLG Hamm DAR 2005, 640 sowie Beschluss vom 04.05.2007 - 1 Ss OWi 301/07 - juris; KG VRS 108, 278; OLG Bamberg ZfS 2006, 592 = VM 2007 Nr. 27; ZfS 2007, 55/56 - jeweils m.w.N.).

Für das Bußgeldverfahren regelt § 77 b OWiG, unter welchen Voraussetzungen eine schriftliche Begründung des Urteils nachträglich zu den Akten gebracht werden kann.

Erforderlich ist zunächst, dass nach § 77 b Abs. 1 OWiG zulässigerweise von einer schriftlichen Begründung des Urteils abgesehen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung...

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