Verfahrensgang

AG Prenzlau (Entscheidung vom 03.03.2003; Aktenzeichen 21 OWi 558/01)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Prenzlau hat mit Urteil vom 3. März 2003 den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 700,00 EURO verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.

Das in Abwesenheit des von der Erscheinenspflicht entbundenen Betroffenen, aber in Gegenwart seines Verteidigers verkündete Urteil besteht lediglich aus der Urteilsformel, wie sie die Richterin vollständig in das Protokoll aufgenommen hat. Es enthält keine Entscheidungsgründe.

Noch am Tag des Fortsetzungstermins der seit dem 24. Februar 2003 laufenden - am ersten Tag in Gegenwart des Betroffenen durchgeführten - Hauptverhandlung, am 3. März 2003, verfügte die Richterin die Zustellung des lediglich aus Rubrum und Tenor bestehenden Urteils an den Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis, wo es am 5. März 2003 einging. Hiergegen legte der Betroffene - mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 11. März 2003 - Rechtsbeschwerde ein, die mit einem weiteren bei dem Instanzgericht am 11. April 2003 angebrachten Schriftsatz begründet wurde.

Der Betroffene erstrebt die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde verfasste die Bußgeldrichterin das Urteil, versah es mit einer eingehenden Begründung und unterschrieb es. Dieses Urteil gelangte am 7. April 2003 zur Geschäftsstelle.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§§ 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 OWiG, 349 Abs. 4 StPO).

1. Maßgeblich für die vom Senat auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung der angegriffenen Entscheidung ist - wie an anderer Stelle auszuführen sein wird - nur die Fassung des Urteils, wie es die Richterin vollständig in das Protokoll aufgenommen hatte. Dieses Urteil enthält - entgegen §§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO - keine Urteilsgründe, ermöglicht dem Rechtsbeschwerdegericht mithin keine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler, so dass es allein deswegen der Aufhebung unterliegt (§ 337 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG; vgl. Kammergericht DAR 2001, 228; OLG Düsseldorf VRS 92, S. 344; OLG Brandenburg DAR 2001, 414).

Zwar hat die Bußgeldrichterin nach der am 5. März 2003 bewirkten Zustellung lediglich der Urteilsformel und nach der am 11. März 2003 erfolgten Einlegung der Rechtsbeschwerde das Urteil neu verfasst, mit einer eingehenden Begründung versehen und unterschrieben.

Die nachträglich - am 7. April 2003 - zur Geschäftsstelle gelangten Urteilsgründe sind allerdings im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beachtlich. Die nachträgliche Anfertigung der Urteilsgründe war unzulässig. Denn zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine nicht mehr abänderbare Urteilsfassung vor. Die Amtsrichterin hat sich, indem sie die Zustellung eines ohne Gründe verfassten Urteils an den Verteidiger des Betroffenen verfügt hat, für ein abgekürztes Urteil entschieden und damit für ein Urteil in der Fassung des Protokolls. Das Protokoll enthält hier die für das Urteilsrubrum erforderlichen Angaben sowie die Urteilsformel und beinhaltet damit sämtliche Elemente eines abgekürzten Urteils in Bußgeldsachen (vgl. Kammergericht NZV 1992, 332). Nachdem diese Urteilsfassung aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts - durch Übersendung an den Betroffenen und den Verteidiger - herausgegeben worden war, durfte sie nicht mehr verändert werden (Kammergericht a.a.O.; vgl. auch BayObLG NStZ 1991, 342).

Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Urteilsbegründung gemäß § 77 b Abs. 2 OWiG lagen nicht vor, weil die erste Urteilsfassung - ohne Gründe - nicht von der Regelung in § 77 b Abs. 1 S. 1 OWiG gedeckt war. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht von einer schriftlichen Begründung des Urteils (nur dann) absehen, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichten oder wenn innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird. Hier hatte aber weder der Betroffene auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet noch war die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gegen das in seiner Abwesenheit ergangene Urteil für ihn bereits abgelaufen. Eine Verzichtserklärung des Betroffenen im Sinne von § 77 b Abs. 1 S. 1 OWiG ist darüber hinaus zwar unter anderem in dem Fall entbehrlich, dass dieser von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden war, an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, im Verlauf der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist und im Urteil lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 EURO festgesetzt worden ist (§ 77 b Abs. 1 S. 3 OWiG). Aber auch hieran fehlt es, weil gegen den Rechtsmittelführer durch die angegriffene ...

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