Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelfahrverbot. Aufhebung. Fahrereigenschaft. Verletzung. Darlegungspflicht. Massenverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Beruht die Überzeugung des Tatgerichts von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ohne weitere eigene Erwägungen auf der Übernahme von Darlegungen eines anthropologischen Sachverständigen, müssen im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist. Hierzu zählen Angaben, auf wie viele und welche konkreten übereinstimmenden medizinischen Körpermerkmale sich der Sachverständige bei seiner Bewertung bezogen, wie er die Übereinstimmungen ermittelt, auf welches biostatische Vergleichsmaterial sich die von ihm vorgenommene Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt und welche Beweisbedeutung er den einzelnen Merkmalen beigemessen hat (u. a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 m. w. N.).

 

Normenkette

OWiG §§ 71, 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; StPO § 267 Abs. 1 S. 3, § 353 Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2; StVO § 41 Abs. 2, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StVG § 24 Abs. 1; OWiG § 79 Abs. 3 S. 1; StPO § 267 Abs. 3, § 353 Abs. 2

 

Tatbestand

Das AG hat den Betr. nach Aufhebung und Zurückverweisung seines in der Sache auf Rechtsbeschwerde des Betr. ergangenen Ersturteils wiederum wegen einer fahrlässigen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h (§ 24 I StVG i. V. m. §§ 41 II, 49 III Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 80 € verurteilt und gegen ihn wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes ein Regelfahrverbot nach § 25 I 1 i. V. m. § 4 II 2 BKatV verhängt. Hiergegen wendet sich erneut der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen und formellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel erwies sich wiederum als erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

I. Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich wiederum mit der Sachrüge als begründet, so dass es auf die jedenfalls unbegründete verfahrensrechtliche Beanstandung der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. des rechtlichen Gehörs nicht mehr ankommt. Das Rechtsmittel zwingt den Senat - wenn auch aus anderem Grund - zur neuerlichen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG [...].

1. Die Überzeugung des AG von der Fahrereigenschaft des Betr. beruht auf den sachverständigen Darlegungen des mit der Erstellung eines anthropologischen Gutachtens beauftragten und im Termin gehörten Sachverständigen, welche es sich "in Gänze zu Eigen" macht mit der Folge, dass "letztlich [...] keinerlei vernünftige Zweifel an der Fahreigenschaft des Betr." bestanden.

2. Wie die Rechtsbeschwerde und auch die GStA jeweils zu Recht beanstanden, genügt dies nicht den nach den §§ 71 I OWiG i. V. m. § 267 I StPO gebotenen sachlich-rechtlichen Mindestanforderungen an eine nachvollziehbare Urteilsdarstellung, nachdem das AG aus für den Senat nicht transparenten Gründen den Betr. offenbar nicht allein anhand der vorhanden Lichtbilder wiedererkannt und demgemäß nicht von der ansonsten nahe liegenden, weil einfachen Möglichkeit einer deutlichen und zweifelsfreien Bezugnahme nach § 267 I 3 StPO i. V. m. § 71 I OWiG (zu den Anforderungen zuletzt BGH, Urt. v. 28.01.2016 - 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5 und OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei [...]], jeweils m. w. N.) auf ein "bei den Akten" befindliches Messfoto bzw. 'Frontfoto' Gebrauch gemacht hat, zumal sich dann eine ausführliche Beschreibung des Messfotos nach Inhalt und Qualität in den Urteilsgründen erübrigt hätte (st.Rspr., vgl. neben BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89 und BayObLG a. a. O. u. a. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 [2008]; 21.04.2008 - 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008, 469; 06.04.2010 - 3 Ss OWi 378/10 = DAR 2010, 390 = StV 2011, 717 = zfs 2010, 469 = SVR 2011, 344; 22.02.2012 - 2 Ss OWi 143/12 = DAR 2012, 215 = NZV 2012, 250 und v. 02.04.2015 - 2 Ss OWi 251/15 [bei [...]]; vgl. zuletzt auch OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2016 - 4 RBs 74/16 und 08.03.2016 - 4 RBs 37/16 [jeweils bei [...]]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 - 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; KG, Beschl. v. 15.12.2015 - 121 Ss 216/15 = OLGSt StPO § 267 Nr. 29 = NJ 2016, 393 und v. 17.10.2014 - 3 Ws [B] 550/14 = VRS 127 [2015], 295; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2015 - 1 Ss 188/13 = StraFo 2015, 286; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 - 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; OLG Hamm, Beschl. v. 08.03.2016 - 4 RBs 37/16 = DAR 2016, 399 sowie OLG Frankfurt, Beschl. vom 11.08.2016 - 2 Ss OWi 562/16 [bei [...]]; Göhler/Seitz § 71' Rn. 47a f.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 116 f.; Meyer...

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