Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Reduzierung eines Regelfahrverbots

 

Leitsatz (amtlich)

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Leitsatz (redaktionell)

Es entspricht tatrichterlichem Ermessen, wenn der Bußgeldrichter aufgrund sorgfältiger Ermittlung und Darstellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen anhand einer plausibel dargestellten Existenzgefahr bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgeldbuße das Regelfahrverbot von drei Monaten auf zwei Monate verkürzt.

 

Verfahrensgang

AG Hof (Entscheidung vom 06.10.2005; Aktenzeichen 4 OWi 301 Js 12195/05)

 

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 73 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 550 EUR und einem Fahrverbot von zwei Monaten. Mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Absehen vom Regelfahrverbot in Höhe von drei Monaten.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg.

1. Nach den dem rechtskräftigen Schuldspruch zugrunde liegenden und den Senat bindenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 12.05.2005 mit seinem PKW Volvo die Bundesautobahn A 9 im Gemeindebereich M. in Fahrtrichtung Norden unter fahrlässiger Überschreitung der durch Zeichen 240 beschränkten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 73 km/h.

Der Betroffene ist nach den Feststellungen des Gerichts wie folgt vorgeahndet:

- Entscheidung vom 12.07.2004, rechtskräftig seit 29.07.2004, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 24 km/h am 10.06.2004, Geldbuße in Höhe von 50 EUR;

- Entscheidung vom 22.11.2004, rechtskräftig seit 09.12.2004, verbotswidriges benutzen eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs am 14.09.2004, Geldbuße in Höhe von 40 EUR.

2. Für die vorliegend zu ahndende Geschwindigkeitsüberschreitung sehen §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 c des Anhangs zu Nr. 11.3 des Bußgeldkatalogs eine Geldbuße in Höhe von 375 EUR und ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten vor. Das Amtsgericht erachtete es jedoch als ausreichend, eine erhöhte Geldbuße von 550 EUR zu verhängen und ein Fahrverbot von zwei Monaten festzusetzen.

Hierzu führt das Amtsgericht u.a. aus [UA S. 9]:

"Wenn auch der Umstand, dass der Betroffene - wie bereits dargestellt - beruflich besonders auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist und dies für ihn ein besonderer Grund hätte sein müssen, sich verantwortungsbewusst zu verhalten, so hält das Gericht es doch aufgrund der glaubhaften und detaillierten Darlegungen des Betroffenen zu seinen beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie des positiven persönlichen Eindrucks von ihm in der Hauptverhandlung für ausnahmsweise angezeigt, das an sich verwirkte Fahrverbot zur Vermeidung unzumutbarer Härte gegenüber dem Betroffenen zu reduzieren. ...

Dem sich schuldeinsichtig zeigenden Betroffenen wird auch bei einem zweimonatigen Fahrverbot bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgeldbuße auf insgesamt 550 EUR zugemutet, erhebliche Anstrengungen, auch wirtschaftlicher Art, zu unternehmen, um die negativen Auswirkungen des reduzierten Fahrverbotes möglichst gering zu halten, ohne dass er andererseits dadurch unverhältnismäßig hart in seiner wirtschaftlichen Existenz getroffen wäre."

3. Die Erwägungen des Amtsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Es liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes im Einzelfall nicht bedarf. Innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums hat er die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat (BayObLGSt 2002, 6/7).

b) Das Amtsgericht hat nicht verkannt, dass die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung als grobe Pflichtverletzung ein Regel-Fahrverbot indiziert. Da es festgestellt hat, dass der Betroffene nur ein - und nicht drei - Verkehrszeichen übersehen hat [UA S. 6], ist es von einfacher Fahrlässigkeit ausgegangen, hat aber gleichwohl die Verhängung eines Fahrverbots als sog. Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für erforderlich gehalten.

c) Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht ausführlich getroffen [UA S. 3 - 5]. Sie sind revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich sind die Angaben eines Betroffenen, der sich auf eine drohe...

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