Entscheidungsstichwort (Thema)

Alkohol. Alkoholfahrt. Blutalkoholkonzentration. BAK. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Fahrverbotsdauer. Voreintragung. Abkürzung. Übermaßverbot. Existenzverlust. Härtefall. Arbeitsplatzverlust. Kündigung. Doppelverwertungsverbot. Bäcker. Bäckerei. Zum Sachverhalt:. Ermessensspielraum. Einzelfall. Dauer. Unrechtsgehalt. Angemessenheit. Ordnungswidrigkeit. Doppelverwertungssverbot. Unerheblichkeit. Beibehaltung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Den Gerichten ist in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen oder seine Dauer abgekürzt werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum als in den Fällen nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BKatV eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Bußgeldtatbestände versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit des Fahrverbots und seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst (u.a. Anschluss an OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. April 2002, Ss (B) 13/02 = VRS 102 [2002], 458 = BA 41 [2004], 173; OLG Bamberg, Beschluss vom 29. Oktober 2012, 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50 [2013], 27 = OLGSt StVG § 25 Nr 53 und 20. August 2008, 3 Ss OWi 966/08 = BA 45 [2008], 394 = DAR 2009, 39 = OLGSt StVG § 25 Nr 43).

2. In den Fällen des § 24a StVG bleibt das Tatgericht auch dann, wenn schon eine einschlägige Ordnungswidrigkeit entsprechend Nr. 241.1 BKat voreingetragen ist, verpflichtet, sich aus Gründen des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots oder seiner Dauer für den Betroffenen zu befassen. Gegen das Doppelverwertungsverbots würde verstoßen, wenn allein aus den die qualifizierten Regelfolgen nach Nr. 241.1 BKat begründenden Umständen auf die Unerheblichkeit existentieller Härten für den Betroffenen und damit für eine unterschiedslose Beibehaltung des Fahrverbots oder seiner Regeldauer geschlossen würde (Anschluss an OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2013, 5 Ss 337/13 = VM 2014, Nr 9 = BA 51 [2014], 24 = VRS 125 [2013], 166 = NZV 2014, 535).

 

Normenkette

StGB § 46 Abs. 3; StVG §§ 24a, 25 Abs. 1 S. 2, § 26a; StPO § 267 Abs. 3; OWiG § 67 Abs. 2, § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1; BKatV § 4 Abs. 3; BKat Nr. 241.1

 

Tatbestand

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit einer BAK von 0,5 0/00 oder mehr (§ 24 a I i.V.m. III StVG; Tatzeit: 14.07.2017) zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer 1 Monats angeordnet.

Mit ihrer wegen der in der Hauptverhandlung wirksam gemäß § 67 II OWiG erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden, mit der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet die StA, dass das AG gegen den Betr. nicht nach § 4 III BKatV i.V.m. lfd. Nr. 241.1 BKat wegen bereits einer einschlägigen Voreintragung nach § 24a StVG im Fahrerlaubnisregister entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 21.08.2017 ein (qualifiziertes) Regelfahrverbot für die Dauer von 3 Monaten festgesetzt hat.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das AG.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 79 I 1 Nr. 1 OWiG ohne weiteres statthafte (BGH, Beschluss vom 31.01.1991 - 1 StR 338/90 = BGHSt 37, 316 = NJW 1991, 1367 = NStZ 1991, 289 = wistra 1991, 229 = VRS 81 [1991], 41 = VM 1991, Nr. 77; vgl. u.a. auch Göhler/Seitz OWiG 17. Aufl. § 79 Rn. 3; KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 79 Rn. 11; BeckOK-OWiG/Bär [Stand: 01.03.2018] § 79 Rn. 14) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Im Ansatz zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass gem. §§ 24a I, III i.V.m. 25 I 2, 26a I Nr. 2, II StVG i.V.m. § 4 III BKatV i.V.m. Nr. 241.1 BKat neben der Anordnung einer Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro an sich die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von 3 Monaten geboten war. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend hiervon zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer nur eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen.

b) Auch die Abkürzung der Dauer eines verwirkten gesetzlichen Regelfahrverbots nach § 25 I 2 StVG kann wie ein gänzliches Absehens vom Regelfahrverbot (vgl. hierzu neben BGHSt 38,125/134 schon OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 - 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50 [2013], 27 = OLG...

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