Rz. 144

Die Brüssel IIa-VO verdrängt in ihrem Anwendungsbereich des Art. 21 die nationalen Anerkennungsvorschriften (§ 100 AußStrG).[225]

 

Rz. 145

Soweit nicht völkerrechtliche Abkommen oder die Brüssel IIa-VO zur Anwendung kommen (§ 100 AußStrG), richtet sich die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe nach §§ 97–99 AußStrG. Nach § 97 Abs. 1 AußStrG wird eine ausländische Entscheidung über die Ehescheidung oder die Ungültigkeitserklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Ausländische Entscheidungen werden somit ipso iure anerkannt.[226] Jede befasste österreichische Behörde kann in jeder Lage des Verfahrens ohne Durchführung eines besonderen Verfahrens die Anerkennung als Vorfrage selbstständig beurteilen (§ 97 Abs. 1 S. 2 AußStrG). Eine solche inzidente Entscheidung erwächst aber nicht in Rechtskraft und wirkt auch nur für die Parteien des Verfahrens.[227]

 

Rz. 146

Die Gründe für eine Verweigerung der Anerkennung sind in § 97 Abs. 2 AußStrG geregelt. So ist diese u.a. zu verweigern, wenn sie den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht[228] oder das rechtliche Gehör eines Ehegatten verletzt worden ist oder die Entscheidung mit einer österreichischen oder einer früheren die Voraussetzungen für eine Anerkennung in Österreich erfüllenden Entscheidung unvereinbar ist oder die erkennende Behörde bei Anwendung des österreichischen Rechts international nicht zuständig gewesen wäre ("österreichische Jurisdiktionsformel").[229]

 

Rz. 147

§ 98 Abs. 1 AußStrG sieht ungeachtet der automatischen Anerkennung nach § 97 AußStrG ein fakultatives Anerkenntnisverfahren vor. Das Verfahren zur Anerkennung ist grundsätzlich bei den Bezirksgerichten zu führen. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 114a Abs. 1 JN; zuständig ist in erster Linie das Gericht, in dessen Sprengel die antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.[230]

 

Rz. 148

Antragslegitimiert ist jeder, der ein rechtliches Interesse an der Anerkennung hat (§ 98 Abs. 1 S. 1 AußStrG). Von Verwaltungsbehörden kann etwa eine Anerkennung beantragt werden, wenn diese für eine von ihnen zu treffende Entscheidung, etwa über die Zuweisung einer Sozialleistung, eine Vorfrage darstellt.[231]

[225] Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 05.106, 121.
[226] OGH 3 Ob 121/13k, EF-Z 2015/5 (Nademleinsky, Rechtsprechungsübersicht); Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 05.122.
[227] OGH 6 Ob 96/11b, EFSlg 132.087 ff.
[228] So hat der OGH etwa bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine Scheidung durch einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann nach islamischem Recht (talaq) dem inländischen ordre public widerspreche: z.B. OGH 6 Ob 189/06x, ZfRV 2007/21; OGH 3 Ob 130/07z, Zak 2007/626; OGH 7 Ob 10/08h, iFamZ 2008/87. Nach OGH 6 Ob 115/19h, EF-Z 2020/61 besteht aber kein Anerkennungshindernis i.S.d. ordre public, wenn die Ehefrau von Anfang an mit einer Talaq-Scheidung einverstanden war.
[229] Näheres bei Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 05.124 ff.
[230] Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 05.136 m.w.N.
[231] Siehe etwa Musger in: Ferrari/Hopf (Hrsg.), Reform des Kindschaftsrechts, S. 131 (S. 142).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge