Leitsatz (amtlich)

1. Ein nach Art. 7 § 1 Abs. 3 S. 2 FamRÄndG Antragsberechtigter kann gegen die Ablehnung des Feststellungsantrags durch die Landesjustizverwaltung gemäß Art. 7 § 1 Abs. 4 FamRÄndG auch dann die Entscheidung des OLG beantragen, wenn er den Erstantrag nicht gestellt hat (Aufgabe von KG FamRZ 1969, 96 [97]).

2. Ein Verstoß gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public international (hier § 328 Abs. 1 Nr. 4 in der bis zum 31.8.1986 geltenden Fassung) scheidet aus, wenn für den Betroffenen, dessen rechtliches Gehör verletzt worden ist, die Möglichkeit bestand, im Urteilsstaat binnen einer nach den gegeben Umständen noch als angemessen anzusehenden Frist ein Rechtsmittel einzulegen, und er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.

3. Zur Anerkennung einer Entscheidung nach § 2 der 4. DVOEheG (Österreich), mit der auf Grund eines Trennungsurteils nach italienischem Recht die Scheidung einer Ehe ausgesprochen wird.

 

Normenkette

4. DVOEheG § 2; FamRÄndG Art. 7, 1 Abs. 4; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 4 in der bis zum 31.8.1986 geltenden Fassung (ordre public international)

 

Verfahrensgang

BezirksG Innere Stadt Wien (Österreich) (Beschluss vom 18.08.1970; Aktenzeichen 12 Nc 403/70-3)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Scheidung der Ehe des am 15.2.1927 geborenen und am 24.4.2000 verstorbenen Z. und der Beteiligten zu 2) gemäß dem Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien (Österreich) vom 18.8.1970 – 12 Nc 403/70-3 – vorliegen.

Der Wert des Verfahrens vor dem Senat wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Die von der Beteiligten zu 4) als Verwaltungsbehörde zu erhebende Gebühr wird auf 310 Euro bestimmt.

 

Gründe

Der Antrag der Beteiligten zu 3) auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß Art. 7 § 1 Abs. 4 und 6 FamRÄndG zulässig.

Die Beteiligte zu 3) ist insoweit antragsberechtigt, obwohl sie den durch die Landesjustizverwaltung abgelehnten Antrag nach Art. 7 § 1 Abs. 3 FamRÄndG nicht selbst gestellt hat. Der Senat hat zwar bisher die Ansicht vertreten, dass gegen die Ablehnung des Feststellungsantrags nur derjenige die Entscheidung des OLG beantragen kann, der den Antrag gestellt hat (vgl. KG FamRZ 1969, 96 [97]: ebenso Staudinger/Spellenberg, BGB, 13. Bearb., § 328 ZPO Rz. 740; Jansen, FGG, 2. Aufl., Art. 7 FamRÄndG Rz. 49). Er schließt sich jedoch nunmehr der Auffassung an, dass unter Antragsteller i.S.v. Art. 7 § 1 Abs. 4 FamRÄndG jeder zu verstehen ist, der gemäß Art. 7 § 1 Abs. 3 S. 2 FamRÄndG berechtigt ist, den Erstantrag zu stellen (vgl. OLG Koblenz v. 26.11.1987 – 11 VA 2/87, IPRax 1988, 359 [360] m. zust. Anm. Richter/Krzywon, IPRax 1988, 349; Reinl, FamRZ 1969, 453 [456]). Das beruht auf einem veränderten Verständnis des § 20 Abs. 2 FGG, der für die Auslegung heranzuziehen ist. Gemäß § 20 Abs. 2 FGG können auch diejenigen Antragsberechtigten eine abweisende Verfügung anfechten, die zwar den erstinstanzlichen Antrag nicht gestellt haben, ihn aber noch wirksam stellen könnten (BGH v. 10.12.1992 – V ZB 3/92, BGHZ 120, 396 [398] = MDR 1993, 1241; KG v. 10.4.1990 – 1 W 5405/87, MDR 1990, 1023 = Rpfleger 1990, 365 [366]; Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 20 Rz. 51 m.w.N.). Diesen Personenkreis darauf zu beschränken, zunächst einen gleich lautenden Antrag zu stellen, wie er bereits zurückgewiesen worden ist, erscheint als Formalismus, der von Gesetzes wegen nicht veranlasst ist. Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie spricht in gleicher Weise für eine erweiternde Auslegung des Art. 7 § 1 Abs. 4 FamRÄndG. Die Beteiligte zu 3) ist gemäß Art. 7 § 1 Abs. 3 S. 2 FamRÄndG berechtigt, den Erstantrag zu stellen, da ihre Rechtsverhältnisse als zweite Ehefrau des Z. durch die Anerkennung des Scheidungsbeschlusses vorteilhaft beeinflusst würden.

Auch ihr Rechtsschutzziel ist zulässig, denn die Beteiligte zu 3) beantragt sinngemäß, die Voraussetzungen für die Anerkennung des Scheidungsbeschlusses festzustellen. Soweit sie zusätzlich geltend macht, die Anerkennung dieses Beschlusses hänge nicht von einer Feststellung der Landesjustizverwaltung ab, stellt das eine unbeachtliche Hilfserwägung dar.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet.

Der Erstantrag ist gemäß Art. 7 § 1 Abs. 1 und 3 FamRÄndG zulässig. Die Vorschrift wird vorliegend nicht durch die EG-Verordnung Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 (EG-EheVO) verdrängt, nach der in einem Mitgliedstaat ergangene Statusentscheidungen ohne besonderes Verfahren anzuerkennen und für mögliche Feststellungsanträge in Deutschland die FamG zuständig sind (Art. 14 Abs. 1 bis 3 EG-EheVO i.V.m. § 51 AVAG). Denn gemäß Art. 42 EG-EheVO findet die Verordnung auf Verfahren, die vor ihrem In-Kraft-Treten eingeleitet worden sind, keine Anwendung. Das ist hier hinsichtlich des maßgeblichen Verfahrens vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien der Fall. Auch der Ausnahmetatbestand des Art. 7 § 1 Abs. 1 S. 3 FamRÄndG ist nicht gegeben, da die Betei...

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