Rdn 3234

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Glaubwürdigkeitsgutachten, Teil G Rdn 2511, und → Sachverständigenbeweis, Teil S Rdn 4060.

 

Rdn 3235

1. Hat der Verteidiger nach der Überprüfung eines bereits erstatteten → Sachverständigengutachtens, Teil S Rdn 4086, Zweifel an der Brauchbarkeit des Gutachtens, muss er sich überlegen, ob er ggf. schon im EV die Einholung eines sog. "Obergutachtens" beantragt. Entsprechendes gilt, wenn aufgrund des Gutachtens eines von ihm selbst beauftragten SV das Gutachten eines gerichtlich bestellten SV in Zweifel zu ziehen ist.

 

☆ Im Allgemeinen wird unter einem Obergutachten ein Gutachten verstanden, das Widersprüche zwischen zwei oder mehreren bereits erstatteten Gutachten aufklären soll. Das Obergutachten hat jedoch nicht etwa eine Schiedsrichterfunktion , sondern nimmt (lediglich) zu einem anderen Gutachten Stellung ( Krekeler StraFo 1996, 8)."Obergutachten" ein Gutachten verstanden, das Widersprüche zwischen zwei oder mehreren bereits erstatteten Gutachten aufklären soll. Das Obergutachten hat jedoch nicht etwa eine Schiedsrichterfunktion, sondern nimmt (lediglich) zu einem anderen Gutachten Stellung (Krekeler StraFo 1996, 8).

 

Rdn 3236

Ein Obergutachter muss aber nicht immer schon bei einem Widerspruch zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Gutachten des SV eingeholt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 76). Etwas anderes gilt, wenn das die HV vorbereitende schriftliche Gutachten dem in der HV mündlich Erstatteten in einem entscheidenden Punkt widerspricht (OLG Karlsruhe StV 2004, 477) oder der SV eine "totale Kehrtwendung" macht (EGMR StraFo 2002, 81; zur Frage der Einholung eines weiteren SV-Gutachtens bei zwei sich widersprechenden Gutachten BGH NJW 2006, 457 [Ls.]).

 

Rdn 3237

2.a) Hat sich der Verteidiger entschlossen, die Einholung eines weiteren SV-Gutachtens/Obergutachtens zu beantragen, muss er den Antrag sorgfältig begründen und sich dabei nach den Anforderungen richten, die in der HV an einen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens gem. § 244 Abs. 4 gestellt werden.

 

☆ Stützt der Verteidiger seinen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachten auf substantiiert dargelegte methodische Mängel des (vorbereitenden) Erstgutachtens , kann das Gericht diesen nur dann mit der Begründung zurückweisen, es verfüge selbst über die erforderliche Sachkunde, wenn er sich in den Urteilsgründen hierzu nicht dadurch in Widerspruch setzt, dass es seiner Entscheidung das Erstgutachten ohne Erörterung der geltend gemachten Mängel zugrunde legt (BGHSt 55, 55 m. zust. Anm. Eisenberg JZ 2010, 474; zur Ablehnung a. noch BGH, Beschl. v. 9.6.2020 – 5 StR 167/20, NStZ 2020, 623).Beweisantrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachten auf substantiiert dargelegte methodische Mängel des (vorbereitenden) Erstgutachtens, kann das Gericht diesen nur dann mit der Begründung zurückweisen, es verfüge selbst über die erforderliche Sachkunde, wenn er sich in den Urteilsgründen hierzu nicht dadurch in Widerspruch setzt, dass es seiner Entscheidung das Erstgutachten ohne Erörterung der geltend gemachten Mängel zugrunde legt (BGHSt 55, 55 m. zust. Anm. Eisenberg JZ 2010, 474; zur Ablehnung a. noch BGH, Beschl. v. 9.6.2020 – 5 StR 167/20, NStZ 2020, 623).

 

Rdn 3238

b) Der Antrag muss daher eine Begründung zu folgenden Punkten enthalten (wegen der Einzelh. ­Burhoff, HV, Rn 2124 ff.; BGH NStZ 2013, 98 zugleich auch zu den Anforderungen der Revisionsbegründung):

Es ist zunächst darzulegen, warum das bereits vorliegende Gutachten genügend Sachkunde nicht vermittelt (richtiger SV?; dazu BGH StV 1997, 60; NStZ 1997, 199) und aus welchen Gründen es dem bisherigen SV an der erforderlichen Sachkunde mangelt (dazu z.B. BGH NStZ 1999, 630; zur Sachkunde → Sachverständigenbeweis, Teil S Rdn 4069 f.).
Im Hinblick auf § 244 Abs. 4 S. 2 wird er auch im Einzelnen begründen (müssen), warum nach seiner Meinung eine – ggf. von ihm/dem Beschuldigten – behauptete Tatsache noch nicht widerlegt ist.
Darüber hinaus muss er vortragen, warum der bisher beauftragte SV ggf. von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, sein Gutachten Widersprüche enthält oder weshalb der Obergutachter über bessere Forschungsmittel verfügt (BGH, a.a.O.). Hat der Beschuldigte die Untersuchung durch einen gerichtlich bestellten SV verweigert, verfügt der vom Beschuldigten benannte "SV seines Vertrauens" aber nicht allein deshalb über überlegene Forschungsmittel, weil der Beschuldigte bereit ist, sich von ihm untersuchen zu lassen (BGHSt 44, 26). Ähnliches wird gelten, wenn dem Verteidiger die Anwesenheit bei der Exploration durch den gerichtlichen SV verweigert worden ist, der "eigene" SV dem Verteidiger aber die Anwesenheit gestatten würde (zur Problematik der Anwesenheit des Verteidigers bei der Exploration BGH NStZ 2003, 101).
 

☆ Der Verteidiger hat auf die Auswahl eines Obergutachters ebenso wenig Einfluss wie sonst auf die Auswahl eines SV. Er sollte aber in seinem Antrag den SV, der nach seiner ...

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