Leitsatz

Immer häufiger erheben Arbeitnehmer vor Gericht "Mobbing"-Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber, um finanzielle Ansprüche zu verfolgen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer aktuellen Entscheidung wichtige Rechtsgrundsätze zum Thema "Mobbing" aufgestellt.

 

Sachverhalt

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber seit 1987 als Diplom-Ingenieur beschäftigt. Er machte geltend, er sei im Laufe seiner Beschäftigung in vielfältiger Weise systematischen "Mobbing"-Handlungen ausgesetzt gewesen und deswegen psychisch bedingt arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitnehmer verklagte den Arbeitgeber auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzungen. Im Arbeitsverhältnis galten sechsmonatige tarifliche Ausschlussfristen, die der Arbeitnehmer jedoch hinsichtlich vieler lange zurückliegender "Mobbing"-Handlungen nicht eingehalten hatte.

 

Entscheidung

Entscheidung

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte seine Entscheidung vor allem mit der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist durch den Kläger begründet. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts konnten sämtliche Vorfälle nicht berücksichtigt werden, aus denen der Arbeitnehmer nicht innerhalb von sechs Monaten Ansprüche geltend gemacht hatte.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dieses Urteil nun aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Hierbei wurden einige lang erwartete Rechtsgrundsätze zum Thema "Mobbing" aufgestellt:

Zunächst hat das BAG klargestellt, dass es nicht ausreicht, dem Arbeitgeber "Mobbing" vorzuwerfen, um finanzielle Ansprüche stellen zu können. Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage sondern eine wertende Beschreibung tatsächlicher Vorgänge.

Ob "Mobbing" vorliegt oder nicht, überprüfen die Gerichte im Einzelfall. "Mobbingtypisch" ist hierbei vor allem, dass bestimmte Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen, obwohl die Einzelakte rechtlich neutral sein können. So kann es z.B. gelegentlich vorkommen, dass ein Arbeitnehmer durch Vorgesetzte oder Kollegen zu Unrecht kritisiert wird oder mit einer Arbeitsaufgabe überfordert wird. Erst wenn dies systematisch und schikanierend durch gezielt zusammenwirkende Personen erfolgt, kann jedoch von "Mobbing" gesprochen werden.

Der Arbeitgeber haftet für Verhaltensweisen von Vorgesetzten, die er damit beauftragt hat, dem Arbeitnehmer gegenüber sein Weisungsrecht auszuüben (§ 278 BGB), wenn hierbei schikaniert wurde.

Das BAG hat zudem klargestellt, dass "Mobbing"-Vorwürfe nicht berechtigt sind, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Verhaltensweisen seiner Kollegen oder Vorgesetzten provoziert hat.

Im Prozess trägt der Arbeitnehmer die volle Beweislast für die von ihm behaupteten "Mobbing"-Vorfälle und deren Kausalität für eventuelle Gesundheitsschäden. Das BAG hat eine Beweislastumkehr wegen "Mobbing" ausdrücklich abgelehnt. Der Arbeitnehmer ist gegenüber dem Arbeitgeber nicht in einer schlechteren Beweislastposition, da er ja bei den von ihm behaupteten "Mobbing"-Verhaltensweisen selbst anwesend ist.

Der Streitfall wurde dennoch an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die Begründung, dass die Ansprüche wegen der Nichteinhaltung der Ausschlussfristen verfallen seien, war nicht zutreffend. Zwar gilt eine wirksame tarifliche Ausschlussfrist grundsätzlich auch für Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit für Ansprüche aus "mobbingbedingten" Verletzungshandlungen. Dabei sind jedoch die Besonderheiten des "Mobbings" zu beachten: Typischerweise geht es hier um einzelne, systematische und zeitlich übergreifende Vorfälle, die erst in ihrer Gesamtschau zu bewerten sind. Länger zurückliegende Vorfälle sind daher trotz Ausschlussfristen zu berücksichtigen, wenn sie in einem Zusammenhang mit späteren "Mobbing"-Handlungen stehen.

 

Hinweis

Auf den Streitfall waren die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) noch nicht anwendbar. Hätte der Arbeitnehmer behauptet, aufgrund von Diskriminierungsmerkmalen nach § 1 AGG"gemobbt" zu werden, wäre zu prüfen gewesen, ob "Belästigungen" i.S. des § 3 Abs. 3 AGG vorliegen. Hierbei hätten dann auch die Beweiserleichterungen des § 22 AGG gegriffen. Der Arbeitnehmer muss hiernach nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass kein AGG-Verstoß vorgelegen hat.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Urteil v. 16.5.2007, 8 AZR 709/06.

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