Leitsatz

Mobbing ist ein schillerndes, leicht ausuferndes und schwer fassbares Thema. Wo der eine schon einen vollendeten Tatbestand sieht, tippt der andere noch auf Überempfindlichkeit oder Taktik. Nun sprach konkretisierend das BAG.

 

Sachverhalt

In vielen Arbeitsrechtsstreitigkeiten will der Mandant heute seinen Rechtsanwalt mit einem Mobbing-Vorwurf auf der Fahne ins Gefecht schicken. Doch der Anwalt bevorzugt es zumeist, in seiner Klagschrift etwas Konkreteres zu liefern. Mit dieser BAG-Entscheidung lassen sich diese unterschiedlichen Ansätze künftig leichter verbinden.

Der betroffene Arbeitnehmer war als Diplom-Ingenieur beschäftigt und machte geltend, er sei im Laufe seiner Beschäftigung in vielfältiger Weise systematischen "Mobbing"-Handlungen ausgesetzt gewesen und deswegen psychisch bedingt arbeitsunfähig erkrankt. Er verklagte seinen Arbeitgeber auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzungen. Im Arbeitsverhältnis galten 6-monatige tarifliche Ausschlussfristen, die der Arbeitnehmer jedoch hinsichtlich vieler lange zurückliegender "Mobbing"-Handlungen nicht eingehalten hatte. Das AG und das LAG hatten die Klage abgewiesen. Das LAG hatte seine Entscheidung vor allem mit der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist durch den Kläger begründet. Nach seiner Ansicht konnten keine Vorfälle berücksichtigt werden, aus denen der Arbeitnehmer nicht innerhalb von 6 Monaten Ansprüche geltend gemacht hatte.

Das BAG hat dieses Urteil nun aufgehoben, den Fall zurückverwiesen und lange erwartete Rechtsgrundsätze zum Thema "Mobbing" aufgestellt:

  • Zunächst hat es klargestellt, dass es nicht ausreicht, dem Arbeitgeber "Mobbing" vorzuwerfen, um finanzielle Ansprüche stellen zu können. Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage sondern eine wertende Beschreibung tatsächlicher Vorgänge.
  • Ob "Mobbing" vorliegt oder nicht, überprüfen die Gerichte im Einzelfall. "Mobbing"-typisch ist hierbei vor allem, dass bestimmte Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen, obwohl die Einzelakte rechtlich neutral sein können. So kann es z. B. gelegentlich vorkommen, dass ein Arbeitnehmer durch Vorgesetzte oder Kollegen zu Unrecht kritisiert wird oder mit einer Arbeitsaufgabe überfordert wird. Erst wenn dies systematisch und schikanierend durch gezielt zusammenwirkende Personen erfolgt, kann von "Mobbing" gesprochen werden.
  • Der Arbeitgeber haftet für Verhaltensweisen von Vorgesetzten, die er damit beauftragt hat, dem Arbeitnehmer gegenüber sein Weisungsrecht auszuüben (§ 278 BGB), wenn hierbei schikaniert wurde.
  • Das BAG hat zudem klargestellt, dass "Mobbing"-Vorwürfe nicht berechtigt sind, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Verhaltensweisen seiner Kollegen oder Vorgesetzten provoziert hat.
  • Im Prozess hat der Arbeitnehmer die volle Beweislast für die von ihm behaupteten "Mobbing"-Vorfälle und deren Kausalität für Gesundheitsschäden. Das BAG hat eine Beweislastumkehr wegen "Mobbing" ausdrücklich abgelehnt. Der Arbeitnehmer ist gegenüber dem Arbeitgeber nicht in einer schlechteren Beweislastposition, da er bei den von ihm behaupteten "Mobbing"-Verhaltensweisen selbst anwesend ist.

Der Streitfall wurde an das LAG zurückverwiesen. Die Begründung, dass die Ansprüche wegen der Nichteinhaltung der Ausschlussfristen verfallen seien, war nicht zutreffend. Zwar gilt eine wirksame tarifliche Ausschlussfrist grundsätzlich auch für Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit für Ansprüche aus "mobbing-bedingten" Verletzungshandlungen. Dabei sind jedoch die Besonderheiten des "Mobbings" zu beachten: Typischerweise geht es hier um einzelne, systematische und zeitlich übergreifende Vorfälle, die erst in ihrer Gesamtschau zu bewerten sind. Länger zurückliegende Vorfälle sind daher trotz Ausschlussfristen zu berücksichtigen, wenn sie in einem Zusammenhang mit späteren "Mobbing"-Handlungen stehen.

 

Hinweis

Auf den Streitfall waren die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) noch nicht anwendbar. Hätte der Arbeitnehmer behauptet, aufgrund von Diskriminierungsmerkmalen nach § 1 AGG gemobbt zu werden, wäre zu prüfen gewesen, ob Belästigungen i. S. des § 3 Abs. 3 AGG vorliegen. Hierbei hätten dann auch die Beweiserleichterungen des § 22 AGG gegriffen. Der Arbeitnehmer muss hiernach nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass kein AGG-Verstoß vorgelegen hat.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Urteil v. 16.5.2007, 8 AZR 709/06.

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