Leitsatz

Bei der Vermietung von mit einem Laden verbundenen Räumlichkeiten liegt der Schwerpunkt des Mietverhältnisses im gewerblichen Bereich, wenn die Räume zum Betrieb einer Änderungsschneiderei vermietet und auch genutzt werden und das Gewerbe zum Lebensunterhalt dienen soll; dies gilt selbst dann, wenn der größere Teil der Mietfläche zu Wohnzwecken genutzt wird.

(amtlicher Leitsatz des Gerichts)

 

Normenkette

BGB §§ 535, 557

 

Kommentar

Die Parteien schlossen im Jahr 2002 einen Mietvertrag über Räume, die von der Mieterin teils zum Betrieb einer Änderungsschneiderei, teils zu Wohnzwecken genutzt werden durften. Die Räumlichkeiten hatten eine Gesamtfläche von ca. 75 qm. Sie bestanden aus einem Ladenraum mit Zugang zur Straße und einem Schaufenster (20 qm), zwei Zimmern (35 qm), einem Flur (10 qm) und einem Bad (10 qm). Mit Ausnahme des Ladenraums, in dem die Schneiderei betrieben wird, werden alle Räume zu Wohnzwecken genutzt. In dem Vertrag ist eine Staffelmiete vereinbart, die allerdings nicht den Voraussetzungen des § 557a BGB entspricht. Aufgrund dieser Vereinbarung nimmt der Vermieter die Mieterin auf Zahlung einer höheren Miete in Anspruch.

Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Mietvertrag als Wohnraum- oder als Geschäftsraummietverhältnis zu bewerten ist. Bei einem Wohnraummietverhältnis ist die Staffelmietvereinbarung an § 557a BGB zu messen. Bei der Geschäftsraummiete besteht dagegen Vertragsfreiheit, deshalb kann dort eine Staffelmiete außerhalb des § 557a BGB vereinbart werden.

Nach allgemeiner Ansicht hängt die Zuordnung davon ab, in welchem Bereich der Schwerpunkt des Mietverhältnisses liegt. Für die Einordnung kommt es nach der Rechtsprechung des BGH maßgeblich darauf an, welcher Zweck nach den Vorstellungen der Parteien im Vordergrund steht. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu zählen zum einen die jeweiligen Flächenanteile oder Mietwerte. Allerdings sind diese nicht entscheidend, wenn sich aus anderen Gründen Hinweise für das Übergewicht eines bestimmten Vertragszwecks ergeben. Insoweit gilt der Grundsatz, dass im Zweifel der Gewerbezweck überwiegt, wenn der Mieter die Mietsache zur Bestreitung seines Lebensunterhalts benötigt (BGH, Urteil v. 16.4.1986, VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877).

Praxis-Beispiel

Anwaltskanzlei

In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BGH entschieden, dass im Zweifel Geschäftsraummiete vorliegt, wenn ein Rechtsanwalt ein gemietetes Haus teilweise als Wohnung, teilweise als Kanzlei nutzt. Anders könne es sein, wenn die Wohnfläche die gewerblich genutzte Fläche derart überwiegt, dass der für die Kanzlei zur Verfügung stehenden nur eine geringe Bedeutung zukommt (BGH, a. a. O. unter Ziff. 3 c-cc).

In dem Entscheidungsfall beträgt das Verhältnis der Wohnfläche zur Gewerbefläche 55 zu 20. Gleichwohl hat das Gericht Gewerberaummiete angenommen, weil die Mieterin und ihre Familie auf den Erlös aus dem Betrieb der Änderungsschneiderei angewiesen war.

 

Link zur Entscheidung

OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2008, 5 U 199/07OLG Stuttgart, Urteil v. 31.3.2008, 5 U 199/07, NZM 2008, 726 m. Anm. Lammel, jurisPR-MietR 15/2008 Anm. 5

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