Leitsatz

Ein vertraglich vereinbarter Ausschluss der Minderung durch Einbehalt eines Teils der Miete ist auch dann wirksam und kommt auch dann zum Zuge, wenn sich der Vermieter in Vermögensverfall befindet und der Mieter Gefahr läuft, den ihm bereicherungsrechtlich zustehenden Anspruch bei isolierter Geltendmachung der Minderung nicht durchsetzen zu können. Der Mieter ist jedoch dadurch geschützt, dass er in Höhe des maximal denkbaren Minderungsbetrags nur zur Zahlung Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung verpflichtet ist.

(amtlicher Leitsatz des Gerichts)

 

Normenkette

BGB § 536

 

Kommentar

In einem individuell ausgehandelten Mietvertrag über Räume zum Betrieb eines Fitnessstudios ist unter § 5 Folgendes vereinbart:

"Der Mieter kann ggü. dem Mietzins oder sonstigen Ansprüchen des Vermieters aus diesem Vertrag mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, wenn die Forderung von dem Vermieter anerkannt ist oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt."

Nach § 7 des Vertrags obliegt die Instandhaltung der Mietsache "von Dach und Fach" dem Vermieter; im Übrigen war der Mieter zur Instandhaltung verpflichtet.

Der Mieter hat die Miete wegen diverser Mängel gemindert. Der Vermieter hat den Mieter auf Zahlung der Mietrückstände in Anspruch genommen. Das Gericht hatte unter anderem über die Wirksamkeit der unter § 5 getroffenen Vereinbarung zu entscheiden.

Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus der fraglichen Vereinbarung nicht, dass die Minderungsbefugnis des Mieters nur bei anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Mängeln besteht. Der Mieter sei auch bei streitigen Mängeln zur Minderung berechtigt. Er könne dieses Recht aber nicht im Wege der Mietkürzung verwirklichen. Vielmehr müsse er zunächst die ungekürzte Miete bezahlen. Sodann könne er den Vermieter auf Rückzahlung der nicht geschuldeten Beträge in Anspruch nehmen. In diesem Verfahren sei zu klären, ob die Mängel vorliegen und in welcher Höhe die Miete gemindert sei.

Das Gericht führt weiter aus, dass eine solche Regelung jedenfalls durch Individualvertrag wirksam vereinbart werden kann. Etwas anderes sei in Erwägung zu ziehen, wenn sich aus anderen Vertragsregelungen ergebe, dass die Minderung faktisch ausgeschlossen wird. Hiervon sei auszugehen, wenn die gesamte Instandhaltungslast auf den Mieter abgewälzt wird. Vorliegend hat das Gericht einen solchen Sachverhalt verneint, weil die Instandhaltung und Instandsetzung "von Dach und Fach" beim Vermieter verbleibt.

Der Mieter hat unter anderem eingewandt, dass sich der Vermieter in Vermögensverfall befinde. Deshalb sei zu befürchten, dass ein Bereicherungsanspruch wegen überzahlter Miete nicht mehr verwirklicht werden kann. Die rechtsähnliche Frage nach der Wirksamkeit eines vertraglichen Aufrechnungsverbots hat der BGH bereits mit Urteil vom 26.2.1987 (I ZR 110/85, NJW-RR 1987, 883 m. w. N.) dahingehend entschieden, dass sich der Aufrechnungsgegner nach Treu und Glauben nicht auf eine solche Vereinbarung berufen kann, wenn er sich in Vermögensverfall befindet (BGH, a. a. O. unter Ziff. II 4). Das Gericht führt aus, dass dieselben Grundsätze für eine Vereinbarung über den Ausschluss der Minderung durch Mietkürzung gelten.

Diese Ansicht hat allerdings nicht zur Folge, dass der Mieter im Fall des Vermögensverfalls des Vermieters ohne Weiteres mindern kann. Vielmehr ist die Ausschlussvereinbarung weiterhin zu beachten, allerdings mit der Maßgabe, dass die Verurteilung zur Zahlung des Mietrückstands nur Zug um Zug gegen eine vom Vermieter zu leistende Sicherheit erfolgen kann.

Für die tatsächlichen Voraussetzungen des Vermögensverfalls ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig. Da der Mieter aber die Einzelheiten betreffend das Vermögen des Vermieters nicht kennt, erachtet es das Gericht für ausreichend, wenn der Mieter hinreichende Tatsachen vorträgt und beweist, die für einen Vermögensverfall sprechen. Sodann ist es Sache des Vermieters, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast seine Vermögensverhältnisse offenzulegen, etwa durch eine aktuelle Vermögensaufstellung oder die Vorlage von Bilanzen.

Im Entscheidungsfall hatte der Mieter nachgewiesen, dass der Gerichtsvollzieher beim Vermieter mehrere vergebliche Vollstreckungsversuche unternommen und diesen als "amtsbekannt pfandlos" bewertet hat. Außerdem stand fest, dass der Vermieter kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Dies reicht für die Annahme des Vermögensverfalls aus.

 

Link zur Entscheidung

OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2008, 5 U 65/08OLG Stuttgart, Urteil v. 29.9.2008, 5 U 65/08, ZMR 2009, 204

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