Leitsatz

Der Mieter kann den Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auch dann noch geltend machen, wenn eine Minderung nach § 536b BGB ausgeschlossen ist.

Erfüllungsansprüche sind nur dann ausgeschlossen, wenn die Mietvertragsparteien einen bestimmten, bei Überlassung vorhandenen (schlechten) Zustand der Mietsache als vertragsgemäß vereinbart haben.

 

Normenkette

BGB §§ 535, 536b

 

Kommentar

Die Parteien haben im Mai 2003 einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag über ein "Ladengeschäft im Erdgeschoss, Gewölbekeller und Lagerraum im Untergeschoss" zu einer monatlichen Miete von 600 EUR plus 70 EUR Betriebskostenvorauszahlung abgeschlossen. Der Mietvertrag enthielt u. a. folgende Klausel: "Der Mieter hat das Mietobjekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand. Er anerkennt ausdrücklich, dass es für die von ihm vorgesehenen Vertragszwecke in der vorliegenden Form geeignet ist."

Der im Mietvertrag erwähnte "Gewölbekeller" besteht aus unverputztem Mauerwerk. Der Mieter beanstandete nach der Übergabe, dass aus den Zwischenräumen Sand rieselt. Er hat den Vermieter aufgefordert, den Mangel zu beseitigen. Dies hat der Vermieter abgelehnt; er hat die Ansicht vertreten, dass das Mietobjekt vertragsgemäß sei.

Der Mieter hat die Miete ab April 2004 um ca. 60 % gekürzt. Daraufhin hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen des Zahlungsverzugs fristlos gekündigt (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Die Wirksamkeit der Kündigung hing davon ab, ob der Mieter zum Einbehalt der Miete berechtigt war. Das Landgericht hat dies verneint: Die Gewährleistungsrechte seien ausgeschlossen, wenn der Mieter einen bei der Übergabe vorhandenen Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkennt.

Der BGH ist anderer Ansicht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Nach § 536b S. 1 BGB ist die Minderungsbefugnis ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands nach § 535 Abs. 1 BGB wird hiervon grundsätzlich nicht berührt. Aus diesem Grund steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete bis zur Mängelbeseitigung zu. Das Zurückbehaltungsrecht hindert den Eintritt des Verzugs. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien einen bestimmten, bei Vertragsbeginn vorhandenen Zustand als vertragsgemäß vereinbaren (BGH, Urteil v. 20.1.1993, VIII ZR 22/92). Als Indiz dafür kann gewertet werden, wenn der Mieter eine Mietsache in Kenntnis ihres Zustands übernimmt.

2. Aus einer vertraglichen Vereinbarung, wonach der Mieter das Mietobjekt besichtigt hat und es im derzeit vorhandenen Zustand akzeptiert, kann nicht hergeleitet werden, dass dem Mieter auch verborgene Mängel bekannt gewesen sind.

3. Nach § 536b S. 2 BGB ist die Minderung auch dann ausgeschlossen, wenn dem Mieter ein Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Den Mieter trifft im Allgemeinen keine Erkundungs- oder Untersuchungspflicht (BGH, Urteil v. 4.4.1977, VIII ZR 143/75). Jedoch handelt ein Mieter grob fahrlässig, "wenn die Umstände, die auf bestimmte Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahelegen, der Mieter aber gleichwohl weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen hat."

4. Grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht, wenn der Vermieter einen Mangel arglistig verschweigt. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn der Vermieter einen verborgenen Mangel kennt, diesen aber nicht offenbart.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 18.4.2007, XII ZR 139/05

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