Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum „sich Zeigen” eines Mangels der Mietsache i. S. des § 545 BGB. Schadenersatzpflicht des Vermieters

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Frage, wann ein Mangel der Mietsache im Sinne des § 545 BGB sich „zeigt”.

b) § 254 BGB ist auch auf die Garantiehaftung des Vermieters nach § 538 BGB anwendbar.

 

Normenkette

BGB §§ 545, 538, 254

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Anschlußrevision wird auf die Revision der Beklagten das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Januar 1975 aufgehoben, soweit in der Hauptsache und im Kostenpunkt zum Nachteil der Beklagten (damals Beklagten zu 1) erkannt ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 15. Juli 1968 vermietete die Beklagte frühere Beklagte zu 1) dem Bauunternehmer A…, dessen alleinige Erbin die Klägerin ist, einen von der Firma H… AG (der früheren Beklagten zu 2) im Jahre 1959 hergestellten Turmdrehkran. Der schriftliche Mietvertrag ist als „Kurzvertrag zum Mietvertrag für Baugeräte Fassung 1961” bezeichnet. In Nr. 12 des Kurzvertrages ist unter „Teilung der Gefahr und Versicherung” vermerkt, das Gefahrenrisiko trage der Mieter. In dieser Vertragsbestimmung ist auf § 18 des „Mietvertrages für Baugeräte Fassung 1961” Bezug genommen. Bei diesem handelt es sich um einen Formularvertrag. Auf dessen letzter Seite ist angegeben, er sei von den zuständigen Organen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie erarbeitet. § 18 dieses Vertrages trägt die Überschrift „Teilung der Gefahr und Versicherung”. Er lautet:

„18.1

Der Vermieter trägt die Gefahr aus Beschädigung und Zerstörung infolge eines Geräte- oder Bauunfalls am Einsatzort nach den Ziff. 18.2 und 18.3.

18.2

Der Mieter erklärt, daß das Gerät folgenden außergewöhnlichen Sonder-Gefahren ausgesetzt ist: …

18.3

Der Mieter zahlt dem Vermieter eine Vergütung in Höhe der Prämie für eine Geräteversicherung, die die Gefahr aus Beschädigung und Zerstörung des Geräts infolge eines Geräte- oder Bauunfalls am Einsatzort durch allgemeine Gefahren wie

18.31 Verstöße der Erfüllungsgehilfen des Vermieters oder Mieters,

18.32 Feuer, Explosion und Kriegsnachfolgeschäden,

18.33 Beförderungsgefahr für An- und Rücklieferung des Gerätes …,

18.34 höhere Gewalt, ausgenommen Streik, Aufruhr …, sowie Sondergefahren (Ziff. 18.2), soweit diese versicherbar sind, deckt.

18.6

Will der Mieter die in Ziff. 18.1 bezeichneten Gefahren selbst tragen, so hat er dies dem Vermieter gegenüber schriftlich zu erklären. In diesem Falle entfällt für den Mieter die Zahlung der Vergütung nach Ziff. 18.3.

18.10

Im Falle der Ziffern 18.5, 18.6 und 18.9 hat der Mieter dem Vermieter bei eintretendem Totalverlust eine Barentschädigung in Höhe des Zeitwertes für das in Verlust geratene Gerät zu leisten. Verkehrswert und Baujahr sind in der Anlage 1 angegeben. Bis zum Eingang der Barentschädigung bei Totalverlust, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach dem auf den Verlust des Gerätes folgenden Monatsersten ist die vereinbarte Miete in Höhe von 75 v. H. weiterzuzahlen.

Ist kein Totalverlust eingetreten, so hat in diesem Falle der Mieter die Instandsetzungsarbeiten auf seine Kosten durchzuführen. Bis zur Beendigung der Instandsetzungsarbeiten hat der Mieter 75 v. H. des vereinbarten Mietzinses weiterzuzahlen.

18.11

Schäden, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch der Geräte Dritten zugefügt werden, gehen zu Lasten des Mieters. Ausgenommen hiervon sind Schäden durch Geräte- und Bauunfälle nach Ziff. 18. 3.”

Die Bestimmung des § 4, welche die Überschrift „Beschaffenheit des Gerätes und Mängelanzeige” trägt, hat folgenden Wortlaut:

4.1

Der Vermieter hat das Gerät in einwandfreiem und betriebsfähigem Zustand zum Versand zu bringen oder zur Abholung bereitzustellen. Das Gerät muß bei vertragsmäßigem Gebrauch und normaler Unterhaltung für die vereinbarte Mietzeit leistungsfähig sein.

4.2

Äußere Mängel können gerügt werden:

4.21 bei einem Gerät … mit einem mittleren Neuwert bis zu DM 6.000 … spätestens am 5. Arbeitstag nach Eintreffen des Gerätes …,

4.22 bei einem Gerät … mit einem mittleren Neuwert von mehr als DM 6.000 bei der in § 16 Ziff. 16.3 vorgesehenen Untersuchung oder – falls, keine Untersuchung erfolgt – innerhalb von 14 Arbeitstagen nach Eintreffen des Gerätes ….

4.3

Verborgene Mängel können nicht mehr gerügt werden, wenn nicht innerhalb von 14 Werktagen nach Inbetriebnahme des Gerätes eine Mängelanzeige dem Vermieter erstattet ist.

4.5

Die Kosten der Behebung von Mängeln für nicht in einwandfreiem und betriebsfähigem Zustand abgesandtes, abgeholtes oder zur Abholung bereitgestelltes Gerät (§ 2 Ziffern 2.2, 2.3 und 2.4 sowie § 4 Ziffern 4.2 und 4.3) trägt der Vermieter.”

Nach fast dreimonatiger Betriebszeit löste sich am 18. Oktober 1968 der Mast des Turmdrehkranes vom Oberwagen und stürzte um. Dabei wurden der Kran, ein Pkw und ein Stapel Klinker beschädigt. Der Kranführer wurde leicht verletzt. Im Auftrag des Bauunternehmers A… reparierte die Firma H… AG den Kran.

Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten, der Firma H… AG (der früheren Beklagten zu 2) und dem bei der genannten Firma beschäftigten Monteur T…(dem früheren Beklagten zu 3), der den Kran vor Abschluß des Mietvertrages zum Einsatz hergerichtet hatte, die Freistellung von den durch die Demontage und die Reparatur des Kranes entstandenen und von weiteren durch den Unfall bedingten Verbindlichkeiten verlangt. Sie hat auch Erstattung ihrer durch den Unfall verursachten Aufwendungen gefordert, die sie auf 13.585,60 DM beziffert hat. Die Beklagte hat Widerklage auf Ersatz nicht zurückgegebener Kranteile, auf Zahlung der Miete und der Montagekosten für den Ersatzkran sowie der bis 31. Dezember 1968 nach ihrer Auffassung angefallenen Miete für den Unfallkran erhoben und vorsorglich mit den mit der Widerklage geltend gemachten Forderungen aufgerechnet.

Das Landgericht hat der Klage, soweit sie auf Freistellung von den Kosten der Demontage und Reparatur gerichtet war, zur Hälfte (= 16.588,38 DM) und der Widerklage in Höhe von 3.036,55 DM stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, für den der Klägerin entstandenen Schaden hafte nur die Beklagte und die Klägerin müsse die Hälfte ihres Schadens selbst tragen. Das Urteil des Landgerichts haben die Klägerin und die Beklagte mit der Berufung angefochten. Die Klägerin hat das mit dem Ziel getan, die Verurteilung auch der Firma H… AG und des Monteurs T… zu erreichen und gegen alle in Anspruch genommenen Personen ihre Forderungen in Höhe ihres vollen Schadens durchzusetzen.

Das Berufungsgericht hat dem Freistellungsanspruch der Klägerin – auch gegen die Firma H… – in Höhe von 2/3 (= 22.117,85 DM) stattgegeben. Der Widerklage hat es in Höhe von 3.052,82 DM stattgegeben. Die Haftung des Monteurs T… hat es verneint. Die Firma H… AG hat das Urteil hingenommen.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage und auf die Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 12.795,34 DM. Die Klägerin erstrebt mit der Anschlußrevision die Verurteilung der Beklagten entsprechend ihrem Klagantrag, jedoch hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs nur noch abzüglich 10.736,99 DM.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

1. a) Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte sei der Klägerin als Mieterin des Kranes nach § 538 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil der Kran bei Abschluß des Mietvertrages mit einem Fehler behaftet gewesen und hierauf der Schaden, den die Klägerin geltend macht, zurückzuführen sei. Den Mangel sieht es darin, daß ein Bolzen, der zur Verriegelung der Verbindung zwischen dem Mast und dem Oberwagen des Kranes diente, nicht die nötige innige Schweißverbindung zu einer Sicherungslasche gehabt habe. Es sieht als bewiesen an, daß hierwegen der Bolzen abgerissen und daraufhin der Mast des Kranes umgekippt sei.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Mietsache sei mit einem Fehler behaftet gewesen.

Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht habe sich durch die Annahme der Mangelhaftigkeit der Mietsache zu dem Urteil des Senats vom 9. Dezember 1970 – VIII ZR 149/69 = WM 1971, 244 in Widerspruch gesetzt, trifft nicht zu. In dieser Entscheidung hat der Senat die Ansicht vertreten, die Lage der Mietsache in einem Gebiet, das nur bei außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen hochwassergefährdet sei, stelle keinen Fehler der Mietsache dar. Sie steht der Annahme nicht entgegen, daß hier ein Fehler vorliegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestand nämlich die Gefahr eines Schadenseintritts nicht erst unter außergewöhnlichen Umständen, sondern bei jeder Benutzung des Kranes.

2. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe bei der Erörterung der Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 538 BGB unbeachtet gelassen, daß ein erfahrener Kranführer die vor dem Unfall aufgetretenen Schwankungen des Kranturms erkannt, richtig gedeutet, für eine sachkundige Untersuchung und Abhilfe Sorge getragen und damit das Schadensereignis vermieden hätte. Diese Rüge ist berechtigt, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Haftung der Beklagten nach § 545 BGB ausgeschlossen sein kann.

a) In anderem Zusammenhang, nämlich im Rahmen der Prüfung einer Haftungsminderung nach § 254 BGB, stellt das Berufungsgericht fest, die Verankerung des Mastes am Oberwagen sei bereits einige Zeit vor dem Unfall aufgehoben gewesen, weshalb der Mast bei dem Betrieb des Kranes in den Tagen vor dem Unfall auffällig geschwankt habe. Ein geschulter Kranführer hätte diese Schwankungen bemerken müssen. Da der Mieter keinen besonders ausgebildeten Kranführer eingesetzt habe, treffe ihn ein Mitverschulden.

Die insoweit getroffenen Feststellungen werden von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen (s. u. zu II).

b) Nach § 545 Abs. 1 BGB hat der Mieter dem Vermieter unverzüglich Anzeige zu machen, wenn sich im Laufe der Miete ein Mangel der gemieteten Sache zeigt. Unter Mangel ist dabei nicht nur ein Fehler im Sinne von § 537 BGB gemeint, der den Gebrauch der Sache durch den Mieter beeinträchtigt, sondern jedes Hervortreten eines schlechten Zustandes der Mietsache (Mittelstein, Die Miete, 4. Aufl. S. 353; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches § 545 Rdnr. 3). Unterläßt der Mieter schuldhaft die Anzeige, so wird er nach Abs. 2 der Vorschrift einerseits dem Vermieter schadensersatzpflichtig, andererseits verliert er etwaige Minderungs- und Schadensersatzansprüche aus §§ 537 und 538 BGB.

aa) Die Frage, wann ein Mangel sich im Sinne des § 545 BGB „zeigt”, und damit die Anzeigepflicht des Mieters auslöst, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Verpflichtung zur Anzeige nur angenommen, wenn der Mieter (positive) Kenntnis von dem Mangel hat (Roquette, a.a.O. Rdnr. 7, 10; Weimar, Betrieb 1972, 615, 616; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 4. Aufl. S. 30 Stichwort „Anzeige” II; in diesem Sinne auch Palandt/Putzo, BGB, 36. Aufl. § 545 Anm. 2 b, d und Erman/Schopp, BGB, 6. Aufl. § 545 Rdnr. 1, 7). Die Gegenansicht vertritt den Standpunkt, es genüge, wenn der Mangel dem Mieter erkennbar sei (Niendorff, Mietrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl. S. 222; Mittelstein, a.a.O. S. 354, 355; Goldmann/Lilienthal, BGB, 2. Aufl. § 545 Anm. 1; wohl auch Staudinger/Kiefersauer, BGB, 11. Aufl. § 545 Rdnr. 24; Soergel/Mezger, BGB 10. Aufl. § 545 Rdnr. 7; BGB-RGRK, 11. Aufl. § 545 Anm. 3).

Weder das Reichsgericht noch der Bundesgerichtshof haben – soweit ersichtlich – bisher zu dieser Frage Stellung genommen. Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 23. Januar 1951 – III ZR 28/50 = NJW 1951, 229 bei der Prüfung des Mitverschuldens eines Mieters gemäß § 254 BGB im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gegen den Hauseigentümer aus § 836 BGB ausgesprochen, die §§ 242, 535 BGB verpflichteten den Mieter zu einem Hinweis an den Hausbesitzer wegen drohender Gefahren aus dem Zustand des Hauses nur dann, wenn der Mieter den mangelhaften Zustand des Hauses und die drohenden Gefahren erkannt habe. Die Vorschrift des § 545 BGB ist in diesem Zusammenhang nicht erörtert worden. In dem der Senatsentscheidung vom 1. April 1963 – VIII ZR 257/61 = NJW 1963, 1449, 1450 zugrunde liegenden Fall (Hotelaufnahmevertrag) hatte das Berufungsgericht im Rahmen der Erörterung des § 545 BGB allein auf positive Kenntnis des Mieters abgestellt. Der Senat brauchte der dagegen gerichteten Rüge der Revision nicht nachzugehen, weil § 545 BGB dort schon deshalb zu verneinen war, weil der Vermieter seinerseits die betreffenden Mängel kannte oder doch kennen mußte. Auch in dem Senatsurteil vom 17. März 1976 – VIII ZR 274/74 = WM 1976, 537 stellte sich die hier entscheidungserhebliche Frage nicht, weil dort der Mieter nicht nur den Mangel nicht kannte, sondern auch darauf vertrauen durfte, daß die betreffende Einrichtung in Ordnung war.

bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Anwendungsbereich des § 545 HGB nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Mieter von einem im Laufe der Mietzeit aufgetretenen Mangel positiv Kenntnis erlangt hat. Wenn Abs. 1 der Vorschrift voraussetzt, daß sich ein Mangel zeigt, so kann dies dem Wortsinne nach nur bedeuten, daß das Gesetz maßgeblich auf den Umstand abstellt, inwieweit der Mangel objektiv wahrnehmbar hervortritt. Die sich nach dem Wortsinn der Vorschrift aufdrängende Auslegung entspricht auch deren Zweck. Es ist allgemein anerkannt (statt aller Staudinger/Kiefersauer, a.a.O. § 545 Rdnr. 2 m. w. Nachw.) und ergibt sich eindeutig aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. II, S. 223), daß die Anzeigepflicht keine Ausnahmeregelung, sondern ein Ausfluß der allgemeinen Pflicht des Mieters zur Obhut der Mietsache ist. Diese – vom Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzte – Obhutspflicht folgt aus der Natur des Mietverhältnisses, in dessen Vollzug die Sache in den Besitz des Mieters übergeht; mit der ausdrücklich normierten Anzeigepflicht wird dabei der Tatsache Rechnung getragen, daß der Vermieter nicht laufend die Mietsache auf ihren Zustand überprüfen kann. Unter diesem Gesichtspunkt muß der Vermieter in gleichem Maße dagegen geschützt werden, daß der Mieter während der Mietzeit übersieht, „was jedermann sieht” (Mittelstein a.a.O. S. 354), wie dagegen, daß er Mängel trotz positiver Kenntnis nicht anzeigt.

Mit der zitierten Formulierung Mittelsteins werden allerdings auch die Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer die strenge Haftung des Mieters nach § 545 BGB in Betracht kommen kann. Nach gesetzlichem Mietrecht ist der Mieter nicht verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung von Mängeln anzustellen (Senatsurteil vom 17. März 1976 a.a.O.; Niendorff, a.a.O. S. 222; Mittelstein, a.a.O. S. 354; Roquette, a.a.O. Rdnr. 7). Deshalb liegt es nahe, die Fälle vom Anwendungsbereich des § 545 BGB auszunehmen, in denen zwar einem besonnenen und gewissenhaften Mieter ein Mangel auffallen mag, dessen Erkennbarkeit sich aber nicht unbedingt jedem Mieter aufdrängen muß, wenn also der Mieter nicht ganz naheliegende Feststellungen unterläßt. Nur wenn der Mieter insoweit das für jedermann Naheliegende nicht zur Kenntnis genommen hat, sind die – auf dem Grundsatz des „Alles oder Nichts” aufbauenden – Rechtsfolgen des § 545 BGB zu Lasten des Mieters gerechtfertigt. In allen anderen Fällen muß es, wie bei sonstigen Obhutspflichtverletzungen, bei der Anwendung des § 254 BGB bewenden, um einen sachgerechten abgestuften Ausgleich zwischen den Interessen des Mieters und des Vermieters zu erreichen. Für diese einschränkende Auslegung des § 545 BGB spricht auch ein Vergleich mit § 539 BGB, der Ausschlußgründe für Ansprüche des Mieters im Falle der Kenntnis von Mängeln bei Abschluß des Mietvertrages enthält: Nur die grob fahrlässige Unkenntnis wird dort (§ 539 Satz 2 BGB) – in eingeschränktem Umfang – der Kenntnis gleichgesetzt. Ein sachlicher Grund, weswegen die Haftung des Mieters generell schärfer sein soll, wenn er einen während der Mietzeit auftretenden Mangel übersieht und deshalb nicht anzeigt, ist nicht ersichtlich, zumal das Gesetz (§ 536 BGB) davon ausgeht, daß die Prüfungspflicht auch nach Übergabe der Mietsache an den Mieter beim Vermieter verbleibt und lediglich von der dem Mieter obliegenden Anzeigepflicht unterstützt wird (Roquette, Mietrecht, 5. Aufl. 4. Kap. 1. Abschn. D 1 S. 232).

cc) Gegenteiliges läßt sich auch nicht einem Vergleich mit der Regelung des § 377 HGB über die Mängelrüge beim Handelskauf entnehmen. Die für den Handelskauf geltende Vorschrift des § 377 HGB und die mietrechtliche Bestimmung des § 545 BGB verfolgen nicht die gleichen rechtspolitischen Ziele und sind deshalb auch im einzelnen ganz unterschiedlich gestaltet. Zwar besteht insoweit eine gewisse Parallelität, als beide Vorschriften (auch) einer sachgerechten Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern dienen. Darüber hinaus verfolgt jedoch § 545 BGB als konkrete Ausgestaltung der Obhutspflicht des Mieters in erster Linie den Zweck, die dem Mieter vom Vermieter übergebene Sache vor Schäden zu bewahren, während für die Obliegenheit des Käufers zur unverzüglichen Mängelrüge das allgemeine Interesse des Handelsverkehrs an einer raschen und endgültigen Abwicklung von Rechtsgeschäften im Vordergrund steht (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1976 – VIII ZR 244/74 = WM 1976, 742).

dd) Ob die Feststellung eines im Laufe der Mietzeit aufgetretenen Mangels für den Mieter nahelag, dieser ihm also nur bei grober Fahrlässigkeit unbekannt bleiben konnte, ist jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Dabei kann auch eine besondere Vertragsgestaltung, insbesondere der Umstand von Bedeutung sein, inwieweit der Mieter unter Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht Instandsetzungspflichten (und damit möglicherweise zusätzliche Prüfungspflichten) übernommen hat (vgl. BGH Urteil vom 11. November 1969 – VI ZR 88/68 = WM 1969, 1481, 1482 unter 4.; s. auch Larenz, Schuldrecht II, 10. Aufl. S. 156 Fußn. 3). Für die Frage der Erkennbarkeit übermäßiger, auf einen Mangel hindeutender Schwankungen eines Kranes kommt es, weil der Vermieter davon ausgehen konnte, der Mieter werde einen ausgebildeten Kranführer einsetzen, auf die Sicht dieser besonderen Berufsgruppe an. Hat der Mieter schuldhaft einen ausgebildeten Kranführer nicht eingesetzt, so greift § 545 BGB ein, wenn die übrigen dargelegten Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind.

c) Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht gewürdigt. Es hat auch keine Feststellungen getroffen, die dem Senat insoweit eine eigene Sachentscheidung ermöglichten. Daß ein geschulter Kranführer vor dem Unfall auffällige Schwankungen bemerken konnte, bedeutet noch nicht, daß die Schwankungen von ihm nur bei grober Fahrlässigkeit zu übersehen waren. Darüber hinaus ist ungeklärt, ob die Beklagte gerade wegen des Unterlassens einer Anzeige seitens der Klägerin außerstande war, Abhilfe zu schaffen, ob der Unfall also vermieden worden wäre, wenn die Beklagte von der Klägerin auf die Schwankungen des Kranes hingewiesen worden wäre (§ 545 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BGB; Senatsurteil vom 15. Februar 1967 – VIII ZR 222/64 – WM 1967, 516, 517). Da hierzu – gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag – weitere tatrichterliche Feststellungen nicht ausgeschlossen werden können, ist die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits geboten, soweit in der Hauptsache und im Kostenpunkt zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

II.

Dagegen ist die Anschlußrevision der Klägerin nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin unter Anwendung des § 254 BGB eine Mithaftung zu einem Drittel angelastet und dementsprechend auch die von der Beklagten durch Aufrechnung und im Wege der Widerklage geltend gemachten Gegenansprüche als teilweise gerechtfertigt angesehen. Daß die Klägerin mindestens in diesem Umfang den Schaden mittragen muß, bleibt von dem Umstand, daß der Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 545 BGB neu gewürdigt werden muß, unberührt. Denn letztere Vorschrift kann sich nur zu Gunsten der Beklagten auswirken.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 254 BGB lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 254 BGB auf die Garantiehaftung nach § 538 BGB angewendet hat, ist nicht zu beanstanden.

Im Schrifttum ist nicht bestritten, daß mitwirkendes Verschulden des Mieters auf dessen Schadensersatzanspruch auch dann von Einfluß sein kann, wenn die Forderung aus § 538 BGB hergeleitet wird (vgl. Staudinger/Kiefersauer, BGB, 11. Aufl. § 538 Rdnr. 18; Soergel/Mezger, BGB, 10. Aufl. § 538 Rdnr. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 36. Aufl. § 254 Anm. 2 a). Der Senat hat bereits mehrfach dieselbe Auffassung vertreten (vgl. die Urteile vom 20. Januar 1959 – VIII ZR 22/58 – und vom 1. April 1963 – VIII ZR 257/61 = LM BGB § 537 Nr. 10). Soweit aus dem Urteil den Senats vom 9. Dezember 1970 – VIII ZR 149/69 = WM 1971, 244 eine andere Ansicht zu entnehmen ist, kann hieran nicht festgehalten werden. § 254 BGB ist grundsätzlich gegenüber allen Schadensersatzansprüchen anwendbar. Diese Vorschrift ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Sie ermöglicht einen gerechten Schadensausgleich (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl. § 254 Rdnr. 1). Deshalb kann mitwirkendes Verschulden auch einer Gefährdungshaftung entgegengesetzt werden (§ 9 StVG, § 1 a Abs. 4 RHaftpflGes, § 3 SHaftpflGes, § 27 AtomGes). Für die Garantiehaftung aus § 538 BGB kann nichts anderes gelten.

b) Soweit die Anschlußrevision die Ursächlichkeit des Verhaltens des Rechtsvorgängers der Klägerin und des Kranführers für das Zustandekommen des Unfalles leugnet, setzt sie sich in unzulässiger Weise in Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts.

c) Auch einen Verstoß gegen die Denkgesetze lastet die Anschlußrevision dem Berufungsgericht zu Unrecht an.

Dieses stellt unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Sachverständigen rechtsirrtumsfrei fest, die Verankerung des Mastes an der Verbindungsstelle zum Oberwagen sei bereits einige Zeit vor dem Unfall aufgehoben gewesen, weshalb der Mast bei dem Betrieb des Kranes in den Tagen vor dem Unfall auffällig geschwankt habe. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein geschulter Kranführer hätte diese Schwankungen bemerken und für Abhilfe sorgen müssen, verstößt nicht gegen die Denkgesetze, sondern ist naheliegend. Der Umstand, daß der Kran am Unfalltage nicht in Betrieb war, ist ohne Bedeutung, weil der Fehler bereits hätte behoben sein müssen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Hersteller des Kranes sei anzulasten, daß er auf die Gefahr eines Bolzenabrisses für den Fall, daß die Druckspindeln nicht genügend angezogen würden, nicht hingewiesen habe, steht zu der Feststellung, auch der Einsatz eines nicht geschulten Kranführers sei für den Unfall ursächlich gewesen, nicht in Widerspruch. Beide Umstände können als Unfallursachen in Betracht kommen.

d) Die Behauptung der Anschlußrevision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit den Aussagen der Zeugen F… und B… auseinandergesetzt, trifft nicht zu (BU S. 22).

e) Auch die Rüge der Anschlußrevision, das Berufungsgericht habe gegen § 286 ZPO verstoßen, weil es den als sachverständigen Zeugen benannten Ingenieur L… nicht vernommen hat, ist ohne Erfolg. Der Ingenieur L… wurde von der Klägerin zum Beweis dafür benannt, daß den Kranführer F… kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Beweisangebot hinreichend substantiiert war. Das Berufungsgericht brauchte den Ingenieur L… nämlich jedenfalls deshalb nicht zu vernehmen, weil es die Anwendung des § 254 BGB nicht mit einem Verschulden des Zeugen F…, sondern mit der Erwägung gerechtfertigt hat, der Mieter hätte einen ausgebildeten Kranführer einsetzen müssen, der das Schwenken des Mastes aufgrund seiner besonderen Sachkunde hätte bemerken müssen.

f) Schließlich hat die Anschlußrevision auch gegen die Abwägung nach § 254 BGB nichts Stichhaltiges vorgebracht. Das Berufungsgericht hat die bei Anwendung dieser Vorschrift für die Schadensverteilung maßgeblichen Gesichtspunkte in dem gebotenen Umfang gewürdigt.

2. Damit stehen die von der Beklagten gegen die Klägerin geltend gemachten Gegenansprüche, soweit sie noch streitig sind, zumindest in dem vom Berufungsgericht bejahten Umfang fest, wobei allerdings noch offen ist, ob und inwieweit sie durch Aufrechnung gegen die Klageforderung verbraucht sind; das hängt von der Berechtigung der Klageforderung ab.

Zu den beiden noch streitigen Gegenforderungen der Beklagten ergibt sich im einzelnen:

a) Anspruchsgrundlage wegen der Miete für den Unfallkran vom 1. November 1968 bis zum 31. Dezember 1968 (geltend gemacht werden 2.913,76 DM) ist nicht § 18.10 des Formularvertrages „Mietvertrag für Baugeräte Fassung 1961”, weil die Vorschrift nicht die Unbrauchbarkeit der Mietsache infolge ihrer Fehlerhaftigkeit regelt, wohl aber § 535 BGB. Nach dem Vortrag der Beklagten kann auch davon ausgegangen werden, daß sie ihren Anspruch in dem von ihr berechneten Umfang hierauf stützt. Zwar ist der Mieter gemäß § 537 BGB für die Zeit, während der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsmäßigen Gebrauch infolge eines Mangels aufgehoben ist, von der Entrichtung des Mietzinses befreit. Diese Vorschrift greift jedoch jedenfalls insoweit nicht ein, als die Klägerin ein Mitverschulden an dem Unfall trifft. Das ergibt sich entweder aus einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 36. Aufl. § 254 Anm. 2 b m. w. Nachw.) oder aus § 249 BGB, weil die Klägerin sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (Einsatz eines nicht geschulten Kranführers und Unterlassen des Nachziehens der Druckspindeln) ihrerseits gegenüber der Beklagten schadensersatzpflichtig gemacht hat, wobei der Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin letztlich auf (teilweise) Wiederherstellung des nach § 537 BGB untergegangenen Mietzinsanspruchs ginge.

b) Hinsichtlich der Kosten für die Aufstellung des Ersatzkrans ist ebenfalls § 535 BGB Anspruchsgrundlage (Nebenleistung aus dem Mietvertrag über den Ersatzkran). Soweit die Beklagte ihrerseits der Klägerin schadensersatzpflichtig sein sollte (§ 538 BGB), verringert sich ihr Anspruch.

Da die Klägerin jedenfalls zu einem Drittel mithaftet, steht demnach bereits jetzt fest, daß die zu a) und b) genannten Ansprüche der Beklagten zumindest zu einem Drittel begründet sind. Das Rechenwerk des Berufungsurteils, aus dem sich eine berechtigte Widerklageforderung der Beklagten in Höhe von 3.052,82 DM ergibt, ist danach nicht zu beanstanden.

Die Anschlußrevision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

III.

Für die im Umfang der Aufhebung und Zurückverweisung notwendige wiederholte Verhandlung vor dem Berufungsgericht wird noch folgendes bemerkt:

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Mangel des Turmdrehkranes nicht erkennbar war und deshalb eine Anzeigepflicht nach § 545 BGB nicht in Betracht kommt, so würde die Haftung des Beklagten auch nicht durch § 4 Nr. 3 des Formularvertrages ausgeschlossen sein; denn diese Bestimmung würde den Mieter zu unzumutbaren Untersuchungen zwingen (§ 242 BGB), weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Bolzenabriß von außen nicht zu sehen war.

IV.

Auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens war dem Berufungsgericht zu übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609672

BGHZ, 281

NJW 1977, 1236

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