Leitsatz

Beseitigt der Mieter eigenmächtig einen Mangel der Mietsache, ohne dass der Vermieter mit der Mangelbeseitigung in Verzug ist (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist (§ 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB), so kann er die Aufwendungen zur Mangelbeseitigung weder nach § 539 Abs. 1 BGB noch als Schadensersatz gemäß § 536a Abs. 1 BGB vom Vermieter ersetzt verlangen.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 536a Abs. 2, 539 Abs. 1

 

Kommentar

Die Parteien schlossen im Februar 2002 einen Mietvertrag über eine Doppelhaushälfte. Im Oktober 2002 ließ der Mieter die Heizung reparieren. Im Anschluss hieran nahm er den Vermieter auf Ersatz der Reparaturkosten in Anspruch. Seine Klage hatte allerdings keinen Erfolg.

1. Verzug des Vermieters

Nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Mieter einen Mangel selbst beseitigen und den Vermieter auf Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen in Anspruch nehmen, wenn sich der Vermieter mit der Mangelbeseitigung in Verzug befindet. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der Vermieter zur Mangelbeseitigung aufgefordert wird (Mahnung; § 286 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine solche Mahnung hat der Mieter nicht erklärt.

2. Untätigkeit des Vermieters

Nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB kommt der Vermieter ohne Mahnung in Verzug, wenn aus besonderen Gründen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist. Hiervon ist unter anderem dann auszugehen, wenn der Vermieter die alsbaldige Mangelbeseitigung angekündigt hat, aber gleichwohl untätig bleibt (Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, § 536a BGB Rdn. 124; Emmerich in: Staudinger (2006), § 536a BGB Rdn. 16; Palandt/Heinrichs, § 286 BGB Rdn. 25). Ein solcher Fall war ebenfalls nicht gegeben.

3. Notmaßnahme des Mieters

Nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Mieter auch dann einen Aufwendungsersatzanspruch, wenn die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist. Unter diese Vorschrift fallen Notmaßnahmen des Mieters, die keinen Aufschub dulden. Ein solcher Fall ist in Erwägung zu ziehen, wenn die Heizung im Winter ausfällt. Eine Heizungsreparatur im Oktober ist keine Notmaßnahme.

4. Geschäftsführung ohne Auftrag

In der Literatur ist streitig, ob dem Mieter in Fällen der fraglichen Art ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 539 Abs. 1 BGB zusteht. In dieser Vorschrift ist bestimmt, dass der Mieter Aufwendungen, die der Vermieter nicht nach § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen kann. Teilweise wird vertreten, dass die Regelung in § 539 Abs. 1 BGB anzuwenden ist, wenn der Mieter anstelle des Vermieters einen Mangel beseitigt (Langenberg in: Schmidt-Futterer, § 539 BGB Rdn. 3; Palandt/Weidenkaff, § 536a BGB Rdn. 17 und § 539 Rdn. 2; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1460). Nach anderer Ansicht ist der Rückgriff auf § 539 Abs. 1 BGB in solchen Fällen ausgeschlossen (Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, § 536a Rdn. 165; Emmerich in: Staudinger (2006), § 536a BGB Rdn. 41; Erman/Jendrek, § 536a BGB Rdn. 13, 20; Derleder, NZM 2002, 676).

Der BGH folgt der letztgenannten Auffassung. Danach ist § 539 Abs. 1 BGB nicht anwendbar, wenn der Mieter einen Mangel eigenmächtig beseitigt. Dies beruht auf der Erwägung, dass dem Vermieter bei der Beseitigung des Mangels der Vorrang zukommt. Diese gesetzliche Wertung darf nicht durch einen Rückgriff auf § 539 Abs. 1 BGB umgangen werden.

5. Selbstbeseitigungsrecht des Mieters

Ist der Mangel bereits bei Mietbeginn vorhanden oder ist er aufgrund eines Umstands eingetreten, den der Vermieter zu vertreten hat, so steht dem Mieter nach § 536a Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. In einem solchen Fall wird teilweise die Ansicht vertreten, dass zu dem Schaden auch die Aufwendungen gehören, die der Mieter zur Mangelbeseitigung aufgewendet hat (so Emmerich in: Staudinger (2006), § 536a BGB Rdn. 41).

Der BGH folgt dieser Auffassung nicht. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Mängelbeseitigung in erster Linie Sache des Vermieters ist. Dieser Grundsatz kann nicht durch die Zubilligung eines von § 536a Abs. 2 BGB unabhängigen Selbstbeseitigungsrechts umgangen werden (ebenso Häublein in: MüKomm, § 536a BGB Rdn. 16; Erman/Jendrek, § 536a BGB Rdn. 41).

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 16.01.2008, VIII ZR 222/06

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