Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallbegriff. unkoordinierte Krafteinwirkung. haftungsbegründende Kausalität. degenerativer Vorschaden. Beweislast. Achillessehnenriss

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine unkoordinierte Krafteinwirkung auf die Achillessehne kann sogar eine gesunde Sehne zerreißen und kommt somit als Verletzungsmechanismus in Betracht.

2. Vorschäden stehen einer Unfallkausalität nicht prinzipiell entgegen. Unerheblich ist daher, ob eine altersentsprechende Achillessehne für eine solche physiologische Belastung gebaut und funktionell vorgesehen ist (Entgegen LSG Darmstadt vom 25.10.2016 - L 3 U 186/12, Rn 34, juris; vgl LSG München vom 19.5.2011 - L 17 U 480/08, Rn 22).

3. Sofern mit dem Unfallmechanismus wesentliche Vorschäden nachgewiesen werden sollen, trägt der Träger der Unfallversicherung die Beweislast für das Vorliegen eines "ungeeigneten" Geschehens.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. Mai 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2014 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 4. Juli 2013 ein Arbeitsunfall mit der Folge der Ruptur der Achillessehne rechts ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 4. Juli 2013 ein Arbeitsunfall mit dem Erstgesundheitsschaden einer Ruptur der Achillessehne ist.

Nach dem D-Arztbericht von Prof. Dr. Dr. H., Berufsgenossenschaftliche Kliniken B. H., vom 4. Juli 2013 stellte sich der Kläger an diesem Tage um 8:51 Uhr vor. Er berichtete über einen Vorfall bei seiner Arbeit um 8:00 Uhr morgens im Lager. Er habe versucht, eine Kabeltrommel (Gewicht 1.300 kg) zu drehen, habe sich dabei mit dem rechten Fuß/Unterschenkel abgestoßen und mit den Armen an der Kabeltrommel gedrückt. Plötzlich habe es ein Knallgeräusch im Unterschenkel gegeben. Das Laufen sei bei Schmerzen im dorsalen Unterschenkel nicht mehr möglich gewesen. Die Untersuchung ergab eine Achillessehnenruptur rechts. Am 5. Juli 2013 erfolgte im Klinikum B. H. eine offene Revision der Achillessehne rechts sowie eine direkte Naht. Dabei entleerte sich ein frisches Hämatom.

Eine Gewebeuntersuchung durch den Pathologen Dr. T. ergab Hinweise auf eine frische traumatische Läsion. Vorbestehende degenerative Veränderungen sehe man hier nicht. Es hätten sich frische Einblutungen gezeigt.

Am 1. August 2013 führte das Klinikum B. in H. aus, die Ruptur sei bei einer Gelegenheitsbewegung erfolgt. Da im histologischen Befund jedoch keine degenerativen Vorschädigungen beschrieben worden seien, könne man zurzeit nicht eindeutig klären, ob die Verletzungen auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Man empfehle eine Klärung durch ein Zusammenhangsgutachten.

Unter dem 4. Oktober 2013 erstellte Prof. Dr. Dr. H. ein Gutachten zu der Zusammenhangsfrage. Er führte aus, aus seiner Sicht stelle der Vorfall vom 4. Juli 2013 im Hinblick auf die Achillessehnenruptur rechts eine Gelegenheitsursache dar und stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit diesem. Nach vorherrschender Lehrmeinung sei die Zugfestigkeit einer intakten Achillessehne größer als die vom Muskel aufzubringende Kraft. Da eine geführte Bewegung vorliege, könne entsprechend die auf die Achillessehne wirkende Kraft nicht größer als die vom Muskel aufzubringende Kraft sein. Die Ursache einer Sehnenruptur bei Gesunden sei ein Versagen der neuromuskulären Regler und Sicherheitssysteme. Dies setze jedoch plötzlich von außen einwirkende Belastungsspitzen ohne kompensatorische Gegensteuerung und Koordinierung der vorgeschalteten Muskulatur voraus. Ein solches Ereignis habe hier nicht bestanden. In der wissenschaftlichen Literatur würden ausdrücklich Abläufe wie Schieben, Entgegenstemmen, Heben und Tragen im Sinne einer willkürlich gesteuerten Belastung der Sehne als Gelegenheitsanlass bewertet. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung spreche nicht gegen eine solche Bewertung. Insbesondere eine beginnende Degeneration nach stattgehabten Mikrotraumata bilde sich nicht zwangsläufig histologisch ab.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung anlässlich des Ereignisses ab und stützte sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. H ... Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2014 wies die Beklagte den hiergegen eingelegten Widerspruch zurück und wiederholte und vertiefte ihre bisherige Begründung.

Hiergegen hat der Kläger am 5. Februar 2014 Klage erhoben und vorgetragen, dass in seinem Falle tatsächlich eine "Belastungsspitze" vorgelegen habe. Degenerative Vorschäden hätten nicht bestanden.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. K ... Dieser hat unter dem 17. Dezember 2015 ausgeführt, eine frisch...

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