Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Arbeitsunfalls

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Achillessehnenruptur ist nur dann im naturwissenschaftlichen Sinne auf ein Ereignis zurückzuführen, wenn dieses Ereignis im Vollbeweis bewiesen und generell geeignet gewesen ist, eine traumatische Zusammenhangstrennung der Achillessehne herbeizuführen.

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Arbeitsunfalls ist ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem gesundheitlichen Schaden erforderlich. Der ursächliche Zusammenhang ist nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen.

2. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob es einen anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssatz über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gibt, d. h. ob das konkrete Unfallereignis für den eingetretenen Gesundheitserstschaden generell geeignet ist.

3. Sind die im Vollbeweis nachgewiesenen Anknüpfungstatsachen zum Ablauf des Unfallereignisses unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes generell nicht geeignet, die eingetretene Gesundheitsstörung herbeizuführen, so ist Unfallentschädigung zu versagen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. August 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 26. Januar 2009 als Arbeitsunfall und Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. wegen dessen Folgen.

Der 1958 geborene Kläger ist als kaufmännischer Angestellter bei der C-bank eG in B Stadt beschäftigt. Im H-Arztbericht des Dr. D. vom 27. Januar 2009 wurde ein Unfallhergang dahingehend geschildert, dass der Kläger am 26. Januar 2009 gegen 18 Uhr auf dem Heimweg beim Aussteigen aus dem Pkw mit dem rechten Fuß hängen blieb, stürzte und mit dem linken Fuß in eine Vertiefung trat. Die Erstdiagnose lautete: Achillessehnenruptur links. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 29. Januar 2009 wurde ausgeführt, der Kläger sei beim Aussteigen aus seinem Pkw auf eisglatter Fahrbahn ausgerutscht und gestürzt. In dem ihm von der Beklagten übermittelten Fragebogen zum Unfallhergang teilte der Kläger unter dem 20. Februar 2009 mit, er sei beim Aussteigen aus dem Pkw mit dem Fuß hängengeblieben und durch Wegrutschen des linken Fußes auf glatter und unebener Straße gestürzt.

Der Kläger wurde vom 27. Januar 2009 bis 5. Februar 2009 stationär in der Orthopädischen Klinik Braunfels behandelt. Die Achillessehnenruptur wurde am 28. Januar 2009 operativ versorgt. Nach dem OP-Bericht des Dr. D. verlief die Ruptur ca. 2-3 Querfinger proximal des Ansatzes. In der pathologisch-anatomischen Begutachtung des Dr. E. vom 30. Januar 2009 wurde zu dem eingeschickten Gewebe ausgeführt, man erkenne aufgefasertes, kollagenfaserreiches Sehnengewebe mit Erythrozytenextravasaten, fokal Fibrinabscheidungen und Kernverlust. Es seien nur wenige einsprossende resorbtive Entzündungszellen, kein Siderinpigment und keine Fettinseln erkennbar. Es handele sich um eine frische, in eben beginnender Resorption stehende Ruptur der Achillessehne links. Der histologische Befund passe zu einem frischen Trauma. Da ausschließlich Gewebe von der Rupturzone vorliege, sei zu der gutachterlichen Frage einer vorbestehenden Degeneration keine zweifelsfreie Aussage möglich. Am 19. Mai 2009 erhob Dr. D. als Befund ein Bewegungsausmaß für die Dorsalextension/Plantarflexion des rechten oberen Sprunggelenks (OSG) von 20-0-40°, des linken OSG von 10-0-30°, die Pronation/Supination des rechten unteren Sprunggelenks (USG) betrug 4/4, des linken USG 3/4. Dr. D. ging vom Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers am 1. April 2009 sowie von einer rentenberechtigenden MdE über die 26. Woche nach dem geltend gemachten Ereignis hinaus aus. Dementgegen ging der beratende Arzt der Beklagten Dr. F. von einer funktionellen Betroffenheit aus, die maximal eine MdE von 10 v. H. rechtfertige (Stellungnahme vom 13. Juli 2009). Der beratende Arzt der Beklagten Dr. G. hielt den Bewegungsablauf, das Wegrutschen auf glattem Boden, nach der Literatur nicht zur Herbeiführung der Achillessehnenruptur geeignet (Stellungnahme vom 6. Oktober 2009).

Mit Bescheid vom 15. Januar 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 26. Januar 2009 habe, da es an einem geeigneten äußeren Ereignis fehle. Das Wegrutschen auf glatter Straße setze die (gesunde) Achillessehne nicht so unter Stress, dass sie traumatisch bedingt reiße. Selbst eine Unebenheit der Straße verstärke den Unfallmechanismus nicht entsprechend. Es sei gelegentlich bei einer versicherten Tätigkeit zu einer schicksalhaften Verletzung der Achillessehne gekommen. Den hiergegen am 1. Februar 2010 erhobenen Widerspruch w...

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