Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Gesundheitsschaden. Unfallmechanismus. Kausalität. Anlageleiden als Konkurrenzursache. Beweismaß. wesentliche Mitursache. Ausweichmanöver. unkontrollierte Fußfehlbelastung. Riss der Achillessehne

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein mitten im Lauf notwendig werdendes, ungeplantes Ausweichmanöver kann mit einer unkontrollierten Fußfehlbelastung einhergehen, die Gefährdungspotential für die Achillessehne birgt und einen geeigneten Mechanismus zum Zerreißen der Sehne darstellen.

2. Soll neben dem Unfallgeschehen eine Schadensanlage auf ihre naturwissenschaftliche Bedeutung für den Unfallschaden überprüft werden, muss diese zunächst vollbeweislich gesichert sein. Ist dies nicht der Fall, kann sie gegenüber dem Unfallgeschehen nicht als konkurrierende Ursache von überragender Bedeutung sein.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. August 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2007 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 7. Juli 2006 ein Arbeitsunfall mit einem Riss der rechten Achillessehne war.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Vorverfahren sowie für beide Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Laut D-Arztbericht vom 7. sowie Unfallanzeige vom 10. Juli 2006 knickte der 1965 geborene und seinerzeit als Lehrer tätige Kläger am 7. Juli 2006 gegen 11.30 Uhr während eines Sprints beim Brennballspiel Schüler gegen Lehrer um und verspürte einen "Schlag" in der rechten Ferse. Der um 12.00 Uhr aufgesuchte D-Arzt Dr. J. diagnostizierte eine Achillessehnenruptur rechts und veranlasste zwecks operativer Sehnennaht die stationäre Aufnahme des Klägers. Klinisch zeigte sich eine deutliche Lücke im Bereich der rechten Achillessehne, die sich im Rahmen der Sonographie mit einem Hämatom und noch bestehender geringer Einblutung bestätigte. Röntgenologisch lag kein Hinweis auf einen knöchernen Sehnenausriss vor.

Intraoperativ fanden sich ca. 4 cm vor dem knöchernen Ansatz der Achillessehne ausgefranste Rupturränder sowie ein Hämatom im Bereich der Rupturstelle (Operationsbericht vom 7. Juli 2006). Die histologische Aufbereitung des von den Sehnenenden entnommenen Gewebematerials ergab nach der Auswertung des Pathologen Privatdozent (PD) Dr. S. straffes Bindegewebe mit Blut- und Fibrinauflagerungen ohne eine entzündliche Infiltration. Insgesamt liege das Bild einer frischen Destruktion vor. Eindeutige Hinweise auf degenerative Vorschäden seien nicht vorhanden.

Unter dem 6. September 2006 gab der Kläger zum Unfallhergang an, er sei während des Brennballspiels nach dem Wurf des Balls losgelaufen und mit dem rechten Fuß infolge eines Ausweichmanövers umgeknickt. Aus den Augenwinkeln habe er einen Schüler gesehen, der vermeintlich in seine Laufbahn getreten sei. Da er in der Wade einen starken Schmerz verspürt habe, habe er sich auf eine Bank gesetzt und sei ohnmächtig geworden.

Die vom Kläger als Unfallzeugin benannte R. B. erklärte in ihrer schriftlichen Äußerung vom 18. September 2006, der Kläger sei beim Brennballspiel Lehrer-Schüler losgelaufen, habe einem Schüler ausweichen müssen, sei umgeknickt und zur Bank gehumpelt.

Mit auf dem Postweg übersandtem Bescheid vom 8. Januar 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 7. Juli 2006 als Arbeitsunfall ab. Der Riss der rechten Achillessehne sei nicht rechtlich wesentlich durch die versicherte Tätigkeit am 7. Juli 2006 verursacht worden. Das Umknicken mit dem Fuß sei nicht geeignet gewesen, die Achillessehne unfallbedingt zu verletzen. Diese werde bei einem solchen Bewegungsablauf nicht unphysiologisch beansprucht.

Hiergegen erhob der Kläger am 9. Februar 2007 Widerspruch und rügte, dass die Beklagte statt der Einholung eines Zusammenhangsgutachtens lediglich Mutmaßungen angestellt und den Zustand der Sehne nicht berücksichtigt habe.

In seiner daraufhin von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 22. Februar 2007 vertrat Dr. J. die Ansicht, der Unfall stelle keinen Arbeitsunfall dar, da mangels Fremdeinwirkung keine von außen auf den Körper einwirkende Kraft vorgelegen habe. Das vom Kläger angegebene Umknicken passe nicht zu einer Achillessehnenverletzung. Ein solches Supinationstrauma führe zu einer Schädigung im Sprunggelenkbandapparat, jedoch nicht zu einer Achillessehnenruptur. Auch eine im September 2006 aufgetretene erneute Ruptur etwa 1,5 cm proximal (zur Körpermitte hin) der Nahtstelle spreche für eine degenerative Sehnenveränderung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und berief sich neben der Vertiefung ihrer im Ausgangsbescheid gegebenen Begründung auf die Ausführungen Dr. J.s.

Am 17. April 2007 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben und sein Anliegen auf Anerkennu...

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