Verfahrensgang

SG Mainz (Beschluss vom 26.07.1995; Aktenzeichen S 7 EA-Ar 34/95)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Sozialgerichts Mainz vom 26.7.1995 wird aufgehoben.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.5.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.7.1995 wird angeordnet.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über den Widerruf einer Erlaubnis zur privaten Arbeitsvermittlung.

Die 1956 geborene Antragstellerin ist Mitglied der Scientology Church (SC) eV F. Sie beantragte im September 1994 die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung von Au Pairs. Sie gab an, daß sie den Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin erlernt habe. Sie habe bis 1980 im In- und Ausland in ihrem erlernten Beruf gearbeitet und sei bis 1983 freiberuflich tätig gewesen. Seit der Geburt ihrer Tochter sei sie Mutter und Hausfrau. Sie sei nicht vorbestraft und es seien keine Strafverfahren oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen sie anhängig. Eine Gewerbeuntersagung sei innerhalb der letzten fünf Jahre nicht erfolgt. Die Antragstellerin legte ein Führungszeugnis vor, gemäß dem keine Eintragung im Zentralregister vorlag. Die außerdem vorgelegte Auskunft aus dem Gewerbezentralregister ergab ebenfalls keine Eintragung. Das Amtsgericht Bad Kreuznach bestätigte, daß keine Eintragung in der Schuldnerkartei erfolgt sei.

Das Landesarbeitsamt hörte die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, den Deutschen Gewerkschaftsbund und den Deutschen Hausfrauenbund eV an. Mit Bescheid vom 27.12.1994 wurde der Antragstellerin für die Zeit vom 27.12.1994 bis 26.12.1997 die Erlaubnis erteilt zur Arbeitsvermittlung von Personen, die in Au-pair-Arbeitsverhältnissen tätig werden, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sowie von und nach anderen Mitgliedsstaaten der EU bzw Vertrags Staaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Außerdem wurde eine besondere Erlaubnis zur Vermittlung von Arbeitnehmern unter 25 Jahren für Au-pair-Beschäftigungen bis zu einem Jahr erteilt.

Nachdem das Landesarbeitsamt aus der Presse erfahren hatte, daß die Antragstellerin Mitglied der SC sei, forderte sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.3.1995 auf, entweder eine Erklärung über die Nichtmitgliedschaft in der SC abzugeben oder ihre Mitgliedschaft zu bestätigen. Die Antragstellerin bat daraufhin um Mitteilung, auf welche rechtliche Grundlage sich das Auskunftsbegehren stütze. Behörden dürften Fragen nach der Religionszugehörigkeit nur zum Zwecke statistischer Erhebungen und im Zusammenhang mit Fragen der Besteuerung stellen. Sofern es eine diesbezügliche gesetzliche Grundlage gebe, wäre das Auskunftsersuchen angesichts der zum Ausdruck gebrachten Intentionen rechtswidrig.

Durch Bescheid vom 8.5.1993 hob das Landesarbeitsamt die beiden der Antragstellerin erteilten Erlaubnisse auf. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) habe gemäß § 24 c Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) im September 1994 eine fachliche Weisung erteilt, nach der Mitglieder der SC nicht die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 23 Abs. 3 S 1 AFG besäßen. An diese Weisung sei die Antragsgegnerin gebunden. Eine Erklärung über ihre Nichtmitgliedschaft bei der SC habe die Antragstellerin trotz Terminssetzung nicht abgegeben. Die Nichtzugehörigkeit zur SC sei nach den gegebenen Weisungen des BMA zwingende Teilvoraussetzung des gesamten Merkmales. „Zuverlässigkeit”. Über diese Negativvoraussetzung der Erlangung oder des Bestandes des Rechts auf private Arbeitsvermittlung müsse sich die Erlaubnisbehörde positive Kenntnis verschaffen. Das hierfür erforderliche Vorgehen könne die Erlaubnisbehörde grundsätzlich frei wählen. Nur ein gesetzliches Verbot könne sie an einer bestimmten Form der amtlichen Ermittlung hindern. Ein solches Verbot sei für den Weg der Selbstauskunft vorliegend nicht ersichtlich, es könne insbesondere nicht aus Art. 136 Abs. 3 S 2 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) hergeleitet werden, da hier die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft ausdrücklich dann als zulässig statuiert werde, wenn davon „Rechte abhingen”. Das Recht auf private Arbeitsvermittlung sei ein solches Recht. Selbst wenn man demnach die SC als Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung ansähe, könne ein Recht zur Verweigerung der Selbstauskunft von der Antragstellerin nicht in Anspruch genommen werden. Ernstliche und begründete Zweifel der Erlaubnisbehörde an einer Nichtmitgliedschaft gingen bei Nichtabgabe der Erklärung zu Lasten der Antragstellerin. Die Zweifel habe sie selbst durch ein in der Presse abgedrucktes Interview, in welchem sie sich auf Nachfrage zur SC-Mitgliedschaft bekannt habe, hervorgerufen und bislang nicht auf anderem Weg als durch die Selbstauskunft ausgeräumt. Die SC sei keine Organisation, die ihrem Wesen nach als Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung im oben genannten Sinne eingeordnet we...

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