E-Bike-Förderung darf nicht an Weltanschauung geknüpft werden

Das BVerwG hat die Stadt München verurteilt, einer Antragstellerin einen finanziellen Zuschuss zum Erwerb eines Pedelecs zu gewähren. Die Stadt hatte die Förderung abgelehnt, weil die Antragstellerin sich nicht von Scientology distanzieren wollte.

In einer Grundsatzentscheidung hat das BVerwG geurteilt, dass staatliche Förderleistungen zur Erreichung umweltpolitischer Ziele nicht von weltanschaulichen oder religiösen Meinungen und Bekenntnissen abhängig gemacht werden dürfen.

Die Stadt München fördert den Kauf von Elektrofahrrädern

Die Stadt München hat eine „Förderrichtlinie Elektromobilität“ erlassen, wonach Erwerber eines E-Bikes oder Pedelecs unter bestimmten Voraussetzungen eine finanzielle Bezuschussung von der Stadt erhalten können. Das Antragsformular enthält eine dort etwas deplatziert wirkende „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“. Mit ihrer Unterschrift sollen Antragsteller/innen bestätigen, dass sie die Lehre von Scientology weder anwenden noch verbreiten noch Seminare von Scientology besuchen.

Antrag auf Pedelec-Förderung ohne Distanzierung von Scientology

Eine Antragstellerin hatte einen finanziellen Zuschuss zu dem von ihr beabsichtigten Erwerb eines Pedelecs beantragt. Sie war allerdings nicht bereit, die in dem Antragsformular enthaltene Negativerklärung zu Scientology zu unterzeichnen. Ansonsten erfüllte sie sämtliche Fördervoraussetzungen.

Stadt lehnte Förderung aus weltanschaulichen Gründen ab

Die Stadt lehnte den Förderantrag wegen der fehlenden Distanzierung von Scientology ab. Die darauf eingereichte Klage der Antragstellerin auf Erteilung einer Förderzusage war vor dem VG zunächst nicht erfolgreich. Nach Auffassung des VG durfte die Stadt von den Antragstellern eine Distanzierung von Scientology verlangen, weil diese Organisation Ziele verfolge und insbesondere Methoden zur Erreichung dieser Ziele anwende, die mit den Werten des Grundgesetzes nicht in jeder Hinsicht vereinbar seien.

Verwaltungsrechtsstreit über drei Instanzen

Mit ihrer Berufung hatte die Antragstellerin zweitinstanzlich Erfolg. Der VGH verpflichtete die Stadt, den Antrag auf Förderung des Pedelec-Kaufs positiv zu bescheiden. Die hiergegen eingelegte Revision der Stadt blieb vor dem BVerwG erfolglos.

Stadt München für Weltanschauungsfragen nicht zuständig

Das BVerwG stellte klar, dass eine Gemeinde grundsätzlich nicht das Recht hat, von ihren Bürgern eine Erklärung zu deren Weltanschauung einzufordern. Weltanschauungen und religiöse Überzeugungen einer Person seien keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Damit sei die Stadt München für die Einforderung einer solchen Erklärung schon kraft Verfassung nicht zuständig.

Stadt hat Religions- und Weltanschauungsfreiheit verletzt

Die Ablehnung der Förderung wegen der Verweigerung der Distanzierungserklärung bewertete das BVerwG als einen schweren Eingriff in die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Im Übrigen fehle es auch an einer gesetzlichen Grundlage, auf die die Stadt das Verlangen nach einer weltanschaulichen Distanzierungserklärung stützen könnte.

Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

Schließlich sah das Gericht in der Vorgehensweise der Stadt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Eine Differenzierung der Anspruchsberechtigten für eine umweltpolitisch begründete finanzielle Förderung nach weltanschaulichen Gesichtspunkten sei völlig sachfremd. Die Weltanschauung der Förderberechtigten stehe in keinerlei sachlichem Zusammenhang zu dem Förderzweck.

Die Stadt München muss Förderung bewilligen

Da im Übrigen alle Voraussetzungen für die beantragte Förderung der Klägerin nach der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ der Stadt München erfüllt waren, bestätigte das BVerwG die zweitinstanzliche Verurteilung der Stadt München zur Gewährung der Förderung.

(BVerwG, Urteil v. 6.4.2022, 8 C 9.21)

Hintergrund:

Im Gegensatz zu der Förderung von Elektroautos wird (bisher) bundesweit die Anschaffung von E-Bikes und Pedelecs generell nicht gefördert.

Bundesweite Fördermöglichkeiten

Eine begrenzte Förderung ist für Arbeitnehmer möglich, die in einem Unternehmen arbeiten, das die Möglichkeit des Leasings eines sogenannten Jobrades oder Dienstrades anbietet. Hier wird die monatliche Leasingrate vom Gehalt abgezogen, so dass indirekt eine Ersparnis bei Steuern und Sozialabgaben entsteht. Daneben fördert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) E-Lastenfahrräder. Gefördert wird allerdings nur die Anschaffung zu gewerblichen Zwecken. Förderfähig sind bis zu 25 % des Anschaffungspreises, maximal 2.500 EUR pro E- Lastenrad.

Förderungen in den Ländern und Gemeinden

Daneben existieren spezielle Fördermöglichkeiten in einzelnen Bundesländern und Gemeinden.

  • Das Land Niedersachsen fördert über die niedersächsische Förderbank den Erwerb von E-Lastenrädern durch Gewerbetreibende und Privatpersonen mit bis zu 800 Euro pro E-Lastenrad oder Lasten-S-Pedelec.
  • Der Kauf von Elektrofahrrädern wird derzeit in einigen Kommunen, beispielsweise in München und Regensburg gefördert (25 % des Kaufpreises, maximal 1.000 EUR).
  • Für den Kauf von E-Lastenrädern kann in Mannheim, Heidelberg und Regensburg ein Zuschuss beantragt werden.
  • Daneben bieten inzwischen auch einige Energieversorger ihren Kunden bzw. Neukunden Zuschüsse beim Kauf eines E-Bikes an.

Interessenten bleibt insoweit nichts anderes übrig, als sich auf den Internetseiten des jeweiligen Landes oder der Gebietskörperschaft zu informieren.

Schlagworte zum Thema:  Elektromobilität, Förderung, Religionsfreiheit