Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung und Rechtsfolgen der Überleitung privatrechtlicher Ansprüche auf den Sozialleistungsträger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Überleitung eines privatrechtlichen Anspruchs auf den Sozialhilfeträger ist bestimmt genurg, wenn aus dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, was die Behörde will.

2. Eine Überleitungsanzeige auf Herausgabe der Nutzungen und Erträge aus dem Vermögen, sofern dies den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist jedenfalls dann bestimmt genug, wenn der Verfügungsberechtigte die Vermögensverwaltung nicht umfassend offengelegt hat.

3. Dem Vorerben fallen im Verhältnis zu den Nacherben außer den Fruchtziehungskosten nur die für den Nachlass aufgewendeten gewöhnlichen Erhaltungskosten, nicht aber die Kosten umfangreicher Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen zur Last.

 

Normenkette

SGB XII § 93 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, §§ 53, 97 Abs. 2, 4, § 98 Abs. 2, § 117; AG-SGB XII NRW a.F. § 2 Abs. 1 Buchst. a; AV-SGB XII NRW a.F. § 2 Abs. 1 Nr. 1; SGB I § 12 Abs. 1; SGB II § 33; SGB X § 12 Abs. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3; SGB XI § 43a; BSHG § 90; BGB §§ 100, 102, 133, 2084, 2124 Abs. 1, §§ 2205, 2216 Abs. 1, 2 S. 2, §§ 2217, 2338 Abs. 1 S. 2; SGG § 54 Abs. 1 Sätze 1-2, § 160 Abs. 2, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 2; GKG § 52 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer auf § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gestützten Überleitungsanzeige. Der am 00.00.1949 geborene L Q (Beigeladener) ist der Sohn des am 00.00.1992 verstorbenen Dr. Q. Der Beigeladene lebte bis zum 07.10.2014 aufgrund einer erheblichen Behinderung in stationären Einrichtungen der Evangelischen Stiftung W und erhielt hierfür ab dem 18.09.2001 vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII. Am 07.10.2014 wechselte der Beigeladene in ein Alten- und Pflegeheim, so dass nunmehr der örtliche Sozialhilfeträger (F-Kreis) zuständig ist. Zur Betreuerin des Beigeladenen ist seine Schwester, die Ehefrau des Klägers bestellt.

Der am 00.00.1992 verstorbene Dr. Q hatte in seinem Testament vom 31.10.1991 den Beigeladenen als nicht befreiten Vorerben über zwei Eigentumswohnungen in F, N-Straße 00, eingesetzt und hierüber Testamentsvollstreckung durch den Kläger angeordnet. Das Testament enthält u.a. folgende Regelung:

Ich ordne für meinen Nachlass Testamentsvollstreckung an mit der Maßgabe, dass die Testamentsvollstreckung nur den Erbanteil meines Sohnes L Q erfassen soll. Die Testamentsvollstreckung soll dauern bis zum Tod meines Sohnes L Q. Der Testamentsvollstrecker soll den seiner Verwaltung unterliegenden Teil des Nachlasses unbeschränkt verwalten können und in jeder Beziehung alle gesetzlichen Befreiungen genießen.

Der Testamentsvollstrecker soll nach billigem Ermessen dafür sorgen, dass unser Sohn L Q sowohl der Ertrag als auch die Substanz seines Vermögens für seine ganz persönlichen Bedürfnisse zugute kommen. Der Testamentsvollstrecker soll insbesondere dafür sorgen, dass für L jederzeit Ferienaufenthalte, Kuraufenthalte, Heimaufenthalte, Verwandtenbesuche und die Erfüllung der sämtlichen übrigen angemessenen persönlichen Bedürfnisse möglich sind.

Nachdem der Beklagte in der Vergangenheit erfolglos versucht hatte, einen Kostenbeitrag aufgrund des ererbten Vermögens einzufordern, führte er 2010 eine Vermögensprüfung durch. Mit Schreiben vom 08.05.2010 teilte die Betreuerin des Beigeladenen mit, dass zwischenzeitlich aus den Erträgen der vermieteten Eigentumswohnungen ein Betrag von 65.000 EUR angespart worden sei, dieser aber vollständig der Testamentsvollstreckung unterliege und bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen nicht berücksichtigt werden dürfe. Daraufhin leitete der Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2012 einen möglichen Anspruch des Beigeladenen auf ordnungsgemäße Verwaltung nach § 2216 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Testamentsvollstrecker vom 01.01.2010 bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich über. In dem nach erfolglosem Widerspruchsverfahren geführten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 12 SO 228/13) hob der Beklagte die Überleitungsanzeige nach einem Hinweis des Gerichts, dass es der Anzeige an inhaltlicher Bestimmtheit fehle, mit Schreiben vom 06.07.2015 auf.

Mit Bescheid vom 29.07.2015 leitete der Beklagte unter Hinweis auf § 93 SGB XII einen (möglichen) Anspruch des Beigeladenen gegen den Testamentsvollstrecker auf eine ordnungsgemäße Verwaltung erneut auf sich über, nunmehr ab dem 01.01.2005 bis zur Höhe der Aufwendungen des Beklagten. Den Inhalt des übergeleiteten Anspruchs umschrieb der Beklagte wie folgt: Der Testamentsvollstrecker sei nach § 2216 BGB zur or...

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