Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Auskunftsersuchen des Sozialhilfeträgers gegenüber Angehörigen eines Sozialhilfeempfängers. Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

 

Orientierungssatz

1. Das Auskunftsersuchen des Sozialhilfeträgers gegenüber den Angehörigen des Sozialhilfeempfängers und den sonstigen Kostenersatzpflichtigen nach § 117 SGB 12 ist nur dann rechtswidrig, wenn offensichtlich kein überleitbarer Unterhaltsanspruch besteht. Der Sozialhilfeträger bedarf angesichts des Anspruchsübergangs nach § 94 SGB 12 zeitnaher Kenntnis über Art und Umfang der ggfs übergegangenen Unterhaltsansprüche.

2. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art 2 Abs 1 GG wird durch § 117 SGB 12 in zulässiger Weise eingeschränkt, sofern die begehrten Auskünfte geeignet und erforderlich sind, den Leistungsanspruch zu klären. Eine sog Negativevidenz liegt nur dann vor, wenn ein Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers offensichtlich, dh ohne nähere Prüfung ausgeschlossen ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.09.2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 117 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).

Die Schwiegermutter des Klägers, Frau N T (im Folgenden: Hilfebedürftige), erhielt von der Beklagten vom 01.11.2002 bis zum 31.12.2004 laufende Hilfe zur Pflege gemäß § 68 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und nachfolgend seit dem 01.01.2005 durchgehend entsprechende Leistungen nach §§ 61 ff. SGB XII sowie Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gemäß § 35 SGB XII.

Neben der Ehefrau des Klägers hat die Hilfebedürftige noch drei weitere Kinder. Ein von der Beklagten gegen die Ehefrau des Klägers vor dem Amtsgericht Recklinghausen wegen gegenüber der Hilfebedürftigen bestehenden Unterhaltspflichten geführtes Klageverfahren, mit der die Beklagte für die Zeit vom 01.02.2003 bis 30.04.2004 von der Ehefrau des Klägers Unterhalt in Höhe von 2.057,45 EUR begehrte, endete durch Klagerücknahme, nachdem die Ehefrau des Klägers sich verpflichtet hatte, 630 EUR zur Abgeltung des geltend gemachten Betrages zu zahlen. In einem Schreiben vom 17.08.2005 wurde die Zahlung davon abhängig gemacht, dass die Beklagte vorab bestätige, dass sie die unter dem 03.08.2005 eingereichte Klage zurücknehme und die Sache mit Zahlung des Betrages ihre endgültige Erledigung gefunden habe.

Mit Bescheid vom 03.09.2007 wandte sich die Beklagte zunächst mit einem neuerlichen Auskunftsersuchen "gemäß § 117 SGB XII bzw. §§ 1361 Abs. 4, 1580 oder 1605 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Mahnung gemäß § 1613 BGB" an die Ehefrau des Klägers. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2007 zurück. In den nachfolgend vorgelegten Unterlagen wurden den Ehemann betreffende Daten des Einkommensteuerbescheides für 2006 geschwärzt.

Mit Bescheid vom 21.11.2007 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf § 117 SGB XII auf, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Dabei wies sie den Kläger darauf hin, dass sie der Hilfebedürftigen seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB XII gewähre. Die Auskunftspflicht umfasse nicht nur die Einkünfte (Einnahmen) und Vermögenswerte, Rechte und Güter, sondern auch Verpflichtungen und Belastungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse negativ beeinflussten, das heißt das Einkommen und Vermögen minderten. Dem Bescheid waren beigefügt die Anlagen "Einkommen und Vermögen" sowie "Hauseigentum".

Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 19.12.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2008 zurück. Zur Begründung führt sie aus: Nach § 117 Abs. 1 SGB XII seien der Unterhaltspflichtige und sein nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII dies erfordere. Die Beklagte wies darauf hin, dass eine Auskunftserteilung nicht gleichbedeutend mit der Anerkennung einer Unterhaltspflicht sei. Soweit der Kläger der Ansicht sei, dass Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Ehefrau nicht bestünden, bleibe die Klärung einem zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten. Die Pflicht zur Auskunftserteilung bestehe jedoch unabhängig davon.

In dem daraufhin am 13.02.2008 beim Sozialgericht Gelsenkirchen anhängig gemachten Klageverfahren hat sich der Kläger gegen die von ihm über sein Vermögen verlangte Auskunftserteilung gewandt. Er sei als Schwiegersohn der Hilfebedürftigen nicht unterhaltspflichtig. Eine Beteiligung des Klägers am Unterhaltsverhältnis seiner Ehefrau zu seiner Schwiegermutter ergebe sich allenfalls über den so genannten Familienunterhalt. Der Fami...

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