Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Auskunftspflicht dritter Personen bei Sozialhilfebezug eines Hilfebedürftigen

 

Orientierungssatz

1. Die in § 117 Abs. 1 SGB 12 festgelegte Auskunftspflicht der zum Unterhalt verpflichteten und der weiteren dort aufgeführten Personen enthält keinen Verstoß gegen den Schutz des Eigentums in Art. 14 GG. Auch ein Verstoß gegen Art. 6 GG erscheint nicht denkbar.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB 12 bestehen insgesamt nicht. Auch aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen ist ein Verfassungsverstoß nicht erkennbar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch das höherrangige Allgemeininteresse eingeschränkt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.03.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 117 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger ist Ehemann der Frau I Q. Die Mutter seiner Ehefrau, Frau C N, erhielt bis zu ihrem Tode am 00.02.2008 im Rahmen ihrer Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim von der Beklagten Leistungen nach dem SGB XII.

Die Ehefrau des Klägers wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 30.09.2003 über den Sozialhilfebezug informiert. Vorbehaltlich ihrer Leistungsfähigkeit sei sie nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich unterhaltspflichtig. Für die Zeit der Hilfegewährung gehe der Unterhaltsanspruch bis zur Höhe der Leistungsgewährung auf die Beklagte über, soweit er nicht durch laufende Unterhaltszahlungen erfüllt werde. Unterhalt werde nicht gezahlt. Es werde um Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf einem beigefügten Vordruck gebeten. Nach § 116 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sei der Unterhaltspflichtige und sein nicht getrennt lebender Ehegatte zur Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch der Ehefrau des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2003 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (20 K 283/04), die damit begründet worden war, die Ehefrau des Klägers sei wegen Einkünften unterhalb des Selbstbehalts ersichtlich nicht leistungsfähig, nahm die Ehefrau nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Klärbarkeit von Einwendungen gegen die Leistungsfähigkeit erst in einem zivilrechtlichen Verfahren bei gleichzeitig fehlender sog. Negativevidenz zurück.

Mit Schreiben vom 04.04.2005 erklärte die Ehefrau des Klägers, sie verfüge über keine weiteren Einkünfte als die in ihrer in Kopie beigefügten Lohnsteuerkarte für 2004 ausgewiesenen (Bruttoeinkünfte 21.686,88 EUR; wegen der Einzelheiten wird auf die Steuerkarte Bezug genommen). Auskünfte über Vermögen oder laufendes Einkommen für 2005 wurden nicht gemacht.

Mit Bescheid vom 19.04.2005 forderte die Beklagte den Kläger zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen bis zum 15.05.2005 auf einem beigefügten Vordruck auf. Der Kläger sei seiner Schwiegermutter gegenüber zwar nicht unterhaltspflichtig. Zur Prüfung, ob bzw. in welchem Umfang seine Ehefrau ihrer Mutter gegenüber überhaupt in der Lage sei, Unterhalt zu zahlen, sei jedoch auch die Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse und sein Einkommen erforderlich.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, er sei gegenüber seiner Schwiegermutter nicht unterhaltspflichtig. Es sei nicht zu erkennen, weshalb er auskunftspflichtig sein solle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 117 Abs. 1 SGB XII seien der Unterhaltspflichtige und sein nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordere. Zur Ausräumung etwaiger Missverständnisse werde darauf hingewiesen, dass eine Auskunftserteilung nicht gleichbedeutend sei mit einer Anerkennung einer Unterhaltspflicht. Es werde nochmals eine einmonatige Frist gewährt, der Auskunftspflicht nachzukommen; bei fruchtlosem Verstreichen werde die Angelegenheit zur Erhebung einer Auskunftsklage an das zuständige Rechtsreferat weitergeleitet.

Hiergegen hat der Kläger am 26.07.2005 Klage erhoben und vorgetragen, zum einen begegne § 117 Abs. 1 SGB XII grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken ("Art. 14 GG [Grundgesetz]/Verhältnismäßigkeitsgrundsatz"). Zum anderen könnten seine Einkommensverhältnisse auf die Leistungsfähigkeit seiner unterhaltspflichtigen Ehefrau "mit Rücksicht auf den konkreten Sachverhalt" keinen Einfluss haben. Ihr Einkommen liege unterhalb des unterhaltsrechtlich zugestandenen Selbstbehalts von ca. 1.300,00 EUR. Als Schwiegersohn der Sozialhilfeempfängerin scheide er selbst als originärer Unterhaltsschuldner aus. Zu sei...

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