Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Beteiligtenfähigkeit einer Behörde gem § 70 Nr 3 SGG. Prozessstandschaft. Bestimmtheitsgebot. Aufhebung eines Verwaltungsakts gem § 48 SGB 10. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Bareinzahlungen der Eltern. sonstiges Einkommen iS des § 2b AlgIIV. kein Darlehen

 

Orientierungssatz

1. Aus der Beteiligtenfähigkeit einer Behörde gem § 70 Nr 3 SGG iVm dem Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Land Nordrhein-Westfalen (juris: SGGAG NW) folgt nicht zwangsläufig deren Prozessführungsbefugnis für ihren Rechtsträger. Bei der Beteiligtenfähigkeit und der Prozessführungsbefugnis, insbesondere im Fall der Prozessstandschaft, handelt es sich um zwei verschiedene Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen getrennt geprüft werden muss.

2. Der Senat folgt nicht der Auffassung des BSG, dass der Bundesgesetzgeber im SGG unausgesprochen vorausgesetzt hat, dass dann, wenn das Landesrecht eine Beteiligtenfähigkeit der Behörde anordnet, zwangsläufig diese Behörde auch für ihren Rechtsträger prozessführungsbefugt ist und damit im Fall der Anordnung der Beteiligtenfähigkeit der Behörde durch den Landesgesetzgeber ausschließlich die Behörde und nicht der Rechtsträger richtiger Beteiligter im sozialgerichtlichen Verfahren ist (entgegen BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 6).

3. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB 10, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (vgl BSG vom 29.01.1997 - 11 RAr 43/96 = SozR 3-4100 § 242q Nr 1).

4. Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide wegen der Anrechnung von Einkommen nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 ist § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2, § 330 Abs 3 SGB 3.

5. Bei den monatlichen Zuflüssen von Zuwendungen der Eltern - hier Bareinzahlungen auf das Konto des Hilfebedürftigen - handelt es sich weder um einmalige Einnahmen nach § 1 Abs 1 Nr 1 AlgIIV noch um zweckbestimmte Einnahmen gem § 1 Abs 1 Nr 2 AlgIIV. Vielmehr stellen die Zuwendungen sonstiges Einkommen iS des § 2b AlgIIV dar, auf das die Vorschrift des § 2 AlgIIV entsprechend anwendbar ist.

6. Bei den Bareinzahlungen der Eltern handelt es sich nicht um Zuflüsse aus Darlehen, sondern um (verschleierte) Schenkungen, wenn sich die Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung zwischen dem Hilfebedürftigen und seinen Eltern, die für die Annahme eines Darlehensvertrages gem § 488 Abs 1 S 2 BGB wesentlich ist, nicht feststellen lässt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen B 14 AS 44/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.08.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung eines Betrages von 510,00 EUR.

Seit dem 01.01.2005 bezieht der 1972 geborene Kläger ununterbrochen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger wohnt in dem Haus seiner Eltern, die Altersrenten beziehen. Die Beklagte übernahm die anteiligen Heiz- und Stromkosten des Klägers als Leistungen nach § 22 SGB II.

Durch Bescheid vom 04.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 345,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006. Mit weiterem Bescheid vom 19.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2006 bewilligte die Beklagten dem Kläger Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 310,00 EUR mtl. für Zeit von 01.07. bis 31.12.2006.

Am 14.12.2006 beantragte der Kläger die Weitergewährung von Leistungen ab Januar 2007. In diesem Zusammenhang legte er eine Umsatzübersicht seines Girokontos für die Zeit vom 01.06. bis zum 14.12.2006 vor. Danach erfolgten in der Zeit vom 01.06. bis zum 14.12.2006 vier Bareinzahlungen auf das Konto, und zwar am 14.06.2006 in Höhe von 200,00 EUR, am17.08.2006 in Höhe von 100,00 EUR, am 26.09.2006 in Höhe von 120,00 EUR und am 07.11.2006 in Höhe von 210,00 EUR.

Laut Gesprächsvermerk der Mitarbeiterin der Beklagten Frau L vom 05.01.2007 gab der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache an, dass es sich bei den Einzahlungen um Unterstützungsleistungen seiner Eltern handele. Mit Schreiben vom 08.01.2007, abgesandt am 09.01.2007, hörte die Beklagte den Kläger hinsichtlich der beabsichtigen Aufhebung der Bewilligungsbescheide und Rückforderung von Leistungen wegen des Erhalts von Unterstützungsleistungen durch seine Eltern nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Daraufhin teilte der Kläger mit, dass es sich bei den Einzahlungen seiner Eltern nicht um Schenkungen, sondern um Darlehen handele, die er zurückzahlen müsse. Die Darlehen seien zur Deckung seines Kontos gewährt worden, um den Anfall von Verzugszinsen zu vermeiden. Die Darlehen seien zinsfrei gewährt worden, jedoch sei...

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