Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. Überschreitung der angemessenen Größe. Verwertbarkeit. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. Vermarktungszeitraum von 9 bis 12 Monaten. Darlehen nach § 23 Abs 5 SGB 2. keine Fiktion der Vermögensverwertung

 

Orientierungssatz

1. Überschreitet die Gesamtwohnfläche eines selbst genutzten Hausgrundstücks (unter Berücksichtigung der nicht selbst genutzten Einliegerwohnung) die angemessene Größe iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 von 130 qm für einen Vierpersonenhaushalt deutlich (hier 190 qm), so ist die Teilbarkeit des Hausgrundstücks keine Frage der Angemessenheit der Größe nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2, sondern erst bei der Verwertbarkeit zu prüfen bzw zu berücksichtigen.

2. Ein Wertverlust von 20-30 % spricht bei einem Hausgrundstück noch nicht für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2.

3. Der Senat sieht die mit der Vermarktungsdauer verbundene Prognose im Fall der Verwertung von Immobilien nicht notwendig auf die Dauer von 6 Monaten begrenzt an. Der Notwendigkeit, die Vermarktungsdauer zu strecken, um einen noch angemessenen Verkaufserlös zu erzielen, kann durch Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 5 SGB 2 grundsätzlich Rechnung getragen werden.

4. Ein den Freibetrag übersteigendes und tatsächlich vorhandenes Vermögen kann über den gesamten Anspruchszeitraum hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und den Hilfebedürftigen dadurch Monat für Monat, auch für neue Anspruchszeiträume, entgegengehalten werden, wenn es in der Zwischenzeit nicht verwertet wurde, also als Vermögen im jeweiligen Verbrauchszeitraum noch vorhanden ist (vgl BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 14/08 B). Das gilt schließlich auch bei Berücksichtigung schon in vorangehenden Bedarfsperioden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.04.2009 geändert: Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 25.02.2005 bis 05.09.2006.

Der 1962 geborene Kläger zu 1) und die 1966 geborene Klägerin zu 2) sind je zur Hälfte Eigentümer eines 587 qm großen bebauten Hausgrundstücks in C- L. Das 1998 bezogene Haus hat eine Wohnfläche von 193 qm, von denen die Eltern mit den beiden Kinder, den 1992 bzw. 1996 geborenen Klägern zu 3) und 4), 108 qm bewohnen. Aus der Vermietung der Wohnung im 1. Obergeschoss erzielten sie eine Kaltmiete von 425 EUR monatlich. Außer einer auf den Kläger zu 1) abgeschlossenen Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 2.217,62 EUR verfügten sie nach ihren Angaben im Gerichtsverfahren nicht über weiteres Einkommen oder Vermögen.

Am 25.02.2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Dazu legten sie u.a. eine Bescheinigung über die bis 2024 laufende Lebensversicherung, Jahreskontoauszüge über vier Darlehensverträge für die Hausfinanzierung und ein Schreiben der Sparkasse Paderborn vom 28.02.2005 vor, wonach diese aufgrund einer Prüfung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation nicht mehr bereit sei, weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Paderborn vom 30.05.2005 ein. Danach lag der Verkehrswert des Hausgrundstücks bei Schätzung anhand der Aktenlage und äußerem Anschein auf der Grundlage des Grundstücksmarktberichts bei 265.000 EUR. Berücksichtigt wurde dabei auch eine Baukostenberechnung vom 10.06.1997 des Bau - Ingenieurs J T, Q, der als Gesamt - Herstellungskosten einen Betrag von 428.217, 30 DM ermittelt hatte.

Mit Bescheid vom 02.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, nach Ermittlung des Verkehrswertes abzüglich der Restkredite verbleibe ein Vermögen von 29.730,96 EUR, das die Grundfreibeträge von 17.500 EUR übersteige. Sollten die Kläger nach Verbrauch des Vermögensanteils, der die Grundfreibeträge übersteige, weiterhin Leistungen begehren, solle ein neuerlicher Antrag gestellt werden.

Auf den Widerspruch der Kläger vom 24.06.2005 erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2005 ihre Berechnung: Nach der eingeholten Stellungnahme des Gutachterausschusses sei ein Verkehrswert von 265.000 EUR zugrunde zu legen. Nach Abzug der Kredite in Höhe von 197.491 EUR entfielen auf die nicht selbst genutzte Wohnung entsprechend ihrem Anteil von 44,04 % an der Gesamtwohnfläche 29.730,96 EUR. Die Kläger haben daraufhin eine Stellungnahme des Immobilienmaklers V, Q vom 16.01.2006 vorgelegt, der ausführte, eine Verwertung der Wohnung im Obergeschoss des Hauses erscheine unverhältnismäßig und sei unwirtschaftlich, da dies hohe finanzielle Aufwendungen erfordere.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbes...

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