Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfevergütungsanspruch. Umfang der Bindungswirkung der getroffenen Festsetzung. Verfahrensgebühr. "dieselbe Angelegenheit" iS des Gebührenrechts. mehrere Auftraggeber. Bedarfsgemeinschaft. Erhöhung des Gebührenrahmens. fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV. keine Anrechnung der Beratungshilfegebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr

 

Orientierungssatz

1. Die durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle getroffene Festsetzung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 55 Abs 1 S 1 RVG ist für die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nur insoweit bindend, als der auf die Staatskasse nach § 59 Abs 1 S 1 RVG übergegangene Anspruch auf den Betrag der tatsächlich gezahlten Prozesskostenhilfe der Höhe nach begrenzt ist (vgl BVerwG vom 09.05.2006 - 1 KSt 1/06 = HFR 2008, 178).

2. "Dieselbe Angelegenheit" iS von Nr 1008 RVG-VV liegt vor, wenn ein Rechtsanwalt aufgrund eines Auftrags für mehrere Auftraggeber im gleichen Rahmen tätig wird und ein innerer Zusammenhang zwischen den Verfahrensgegenständen vorliegt. Sind Eltern und Kinder am Verfahren gemeinsam beteiligt, handelt es sich bei ihnen um mehrere Auftraggeber iS von § 7 Abs 1 RVG (vgl KG Berlin vom 3.5.2007 - 1 W 407/06 = AGS 2007, 466; OLG Düsseldorf vom 8.6.2004 - 10 W 42/04 = AGS 2004, 279).

3. Die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind Individualauftraggeber iS von Nr 1008 RVG-VV. Die Bedarfsgemeinschaft ist kein Einzelauftraggeber. Ein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert nicht.

4. Die Regelung der Nr 1008 Abs 3 RVG-VV begrenzt die Erhöhung wegen mehrerer Auftraggeber nicht auf das Doppelte sondern auf das Dreifache des Ausgangsbetrags.

5. Zur Bemessung der fiktiven Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV.

6. Die Anrechnungsvorschrift der Nr 2503 Abs 2 S 1 RVG-VV findet bei der Festsetzung der anwaltlichen Vergütung für das Betreiben eines Gerichtsverfahrens keine Anwendung, wenn die Beratungshilfegebühr nach Nr 2503 Abs 1 RVG-VV für das Betreiben eines Widerspruchsverfahrens angefallen ist und der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber in einem anschließenden gerichtskostenfreien Klageverfahren vertritt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.09.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Streitig ist die Höhe des auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übergegangenen Anspruchs auf Kostenerstattung.

Die Kläger, eine Mutter (Klägerin zu 1) mit elf minderjährigen Kindern, bezogen von der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 988,92 EUR mtl. Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) bis 12) erhielt eine Rente wegen dauernder Erwerbsminderung. Durch Bescheid vom 18.08.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 06.07.2006 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch half die Beklagte durch Bescheid vom 05.01.2007 teilweise ab, in dem sie den Klägern, vertreten durch die Klägerin zu 1) nach § 38 SGB II, Leistungen nach dem SGB II für August 2006 in Höhe von 734,80 EUR und für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.01.2007 in Höhe von 567,14 EUR mtl. bewilligte. Im übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Prozessbevollmächtigte vertrat die Bedarfsgemeinschaft im Widerspruchsverfahren. Für die Vertretung der Klägerin zu 1) im Widerspruchsverfahren erhielt der Prozessbevollmächtigte eine Gebühr nach Nr. 2503 Abs. 1 Anlage 1 zum RVG (VV RVG) in Höhe von 70,00 EUR zzgl. einer Auslagenpauschale von 14,00 EUR (Nr. 7002 VV RVG), Kopiekosten von 12,50 EUR (Nr. 7000 VV RVG) und einer Umsatzsteuer von 15,44 EUR (Nr. 7008 VV RVG).

Mit der am 20.02.2007 erhobenen Klage begehrten die Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 988,92 EUR mtl. für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 31.01.2007. Mit Beschluss vom 27.04.2007 bewilligte das Sozialgericht Detmold den Klägern ab dem 25.04.2007 Prozesskostenhilfe und ordnete den Prozessbevollmächtigten bei. Durch rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 16.09.2008 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18.08.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 05.01.2007, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2007, den Klägern für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2007 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der am 02.03.2006 zugeflossenen Eigenheimzulage für 2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im übrigen wies es die Klage ab. Die Beklagte wurde zur Erstattung der Hälfte der Kosten verurteilt.

Die Beklagte hat den Klägern als Kosten des Widerspruchsverfahren einen Betrag von 159,46 EUR erstattet.

Am 16.10.2008 hat der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt die Festsetzung einer Gebühr von insgesamt 1.077,19 EUR gegenüber der Staatskasse beantragt, und zwar:

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