Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Säumniszuschlägen bei der Streitwertberechnung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung des Streitwertes sind angefallene Säumniszuschläge zu berücksichtigen. Diese haben eine Doppelnatur. Sie sollen dem Sozialleistungsträger einen standardisierten Mindestausgleich verschaffen und darüber hinaus Zahlungsdruck auf den Schuldner ausüben.

2. Für diese Auslegung spricht die historische Entwicklung der Vorschriften über die Streitwertberechnung, insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 43 Abs. 1 GKG. Danach ist bei der Streitwertberechnung die Berücksichtigung von Nebenforderungen nicht ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2009 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die Beklagte vom Kläger die Zahlung von 2.622,03 EUR (Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Säumniszuschläge in Höhe von 360,00 EUR) verlangen kann (Bescheid v. 01.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 11.09.2007). Mit Beschluss v. 17.02.2009 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Streitwert endgültig auf 2.622,03 EUR, also unter Einbeziehung der Säumniszuschläge festgesetzt.

Mit der Beschwerde begehrt die Beklagte die Festsetzung des Streitwertes auf 2.262,03 EUR, also unter Außerachtlassung der Säumniszuschläge. Sie beruft sich auf den Beschluss des 5. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen v. 19.09.2006 (Az.: L 5 B 1/06 ER).

Der Bevollmächtigte des Klägers meint, dass das SG den Streitwert richtig berechnet habe.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Nichtabhilfeentscheidung v. 10.06.2009).

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde gegen den Beschluss des SG mit drei Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG, wonach der Berichterstatter allein entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden, weil der Kammervorsitzende des SG kein "Einzelrichter" in diesem Sinne ist (wie hier: Senat, Beschluss v. 31.08.2009, L 8 B 11/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 30.04.2008, L 16 B 5/07 R; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 14.05.2009, L 24 KR 33/09 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 27.04.2009, L 5 B 451/08 KA; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.04.2009, L 10 B 42/08 P; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.12.2008, L 10 R 5747/08 W-B; Sächsisches LSG, Beschluss v. 09.06.2008, L 1 B 351/07 KR; jeweils juris).

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Streitwert zutreffend festgesetzt und dabei insbesondere zu Recht die von der Beklagten geforderten Säumniszuschläge eingerechnet.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert aufgrund richterlichen Ermessens nach der Bedeutung zu bestimmen, die die Sache für den Kläger seinem Antrag nach hat, soweit nichts anderes geregelt ist. Eine in diesem Sinne abweichende Vorschrift enthält § 52 Abs. 3 GKG. Betrifft der Antrag des Klägers einen Verwaltungsakt, der auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist, so ist deren Höhe maßgebend. Als Ausnahme von § 52 Abs. 3 GKG regelt § 43 Abs. 1 GKG, dass der Wert von Früchten, Nutzungen, Zinsen oder Kosten nicht berücksichtigt wird, wenn sie außer dem Hauptanspruch als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

Säumniszuschläge gemäß § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehören nicht zu den in § 43 Abs. 1 GKG genannten Nebenforderungen. Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss v. 31.08.2009, L 8 B 11/09 R), kann die Vorschrift auch nicht entsprechend auf sie angewandt werden (im Ergebnis wie hier: BSG, Urteil v. 21.01.2009, B 12 AL 2/07 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG, Urteil v. 27.05.2008, B 2 U 19/07 R, SozR 4-2700 § 150 Nr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.10.2008, L 9 AL 28/08; BayLSG, Beschluss v. 14.04.2009, L 5 B 573/08 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.03.2009, L 4 KR 1833/07; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 26.01.2009, L 10 R 5795/08 W-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.09.2007, L 9 B 374/07 KR ER, jeweils juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil v. 28.11.2007, L 5 KR 33/07, EzAÜG SGB IV Nr 40; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.10.2006, L 11 (8) R 57/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 09.03.2009, L 16 (11) B 4/07 R ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.09.2006, L 5 B 1/06 R ER; Sächsisches LSG, Beschluss v. 05.03.2009, L 1 B 605/07 KR; Thüringer LSG, Urteil v. 29.01.2007, L 6 RJ 1024/03; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 03.11.2005, L 5 B 192/05 KR, jeweils juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.08.2007, L 6 U 1140/06, UV-Recht Aktuell 2007, 1193).

Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass Säumniszuschläge keine Früchte oder Nutzun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge