Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. außervertragliche Psychotherapie. Approbation nach Psychotherapeutengesetz zwingende Voraussetzung für Behandlungsanspruch. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Approbation als berufsrechtliche Zulassung zur Tätigkeit als Arzt ist zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als abrechnungsberechtigter Therapeut auch bei einer außervertraglichen Psychotherapie. Dies gilt auch für Fälle des Systemversagens, des medizinischen Notfalls oder beim Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation iSv § 2 Abs 1a SGB 5. Diese Mindestvoraussetzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl ua BSG vom 10.2.2004 - B 1 KR 10/03 B, LSG Stuttgart vom 6.7.2012 - L 11 KR 4261/11, LSG Celle-Bremen vom 10.4.2014 - L 8 SO 16/14 B ER, LSG Stuttgart vom 22.7.2014 - L 11 KR 258/14).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.12.2016; Aktenzeichen B 1 KR 4/16 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 28. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer außervertraglichen Psychotherapie durch eine nicht approbierte Behandlerin.

Die im Jahr 1969 geborene und in B... wohnhafte Klägerin wurde nach überein stimmenden Angaben der behandelnden Therapeuten seit der frühesten Kindheit Opfer schwerster und langjähriger Traumatisierungen im Sinne ritueller Gewalt und leidet heute an der schwersten Form der sog. Dissoziativen Identitätsstörung (polyfragmentierte DIS). Sie bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und stand langjährig in stationärer und ambulanter psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung. Aktuell steht sie bereits langjährig in fachärztlicher Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. L... sowie bei der Hausärztin L.... Die letzte Psychotherapie nahm die Klägerin bei der psychologischen Psychotherapeutin N... in der Zeit von Juli 2007 bis Mai 2013 in Anspruch. Ausweislich der Stellungnahme dieser psychologischen Psychotherapeutin vom 13. Mai 2013 wurde das Patientenverhältnis beendet, da nach bis dahin erfolgreicher Behandlung die therapeutische Beziehung zu vertraut geworden sei, um noch neue Impulse einbringen zu können. Frau N... habe für die weitere Therapie als Therapeutin Frau M... S... empfohlen, da es ihres Wissens in B... und der näheren Umgebung keine andere Psychotherapeutin gebe, die mit dem Störungsbild der Klägerin arbeite und Erfahrungen habe.

Unter dem 20. September 2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer außervertraglichen Psychotherapie bei Frau M... S.... Die Therapeutin (geb. 1966) ist Dipl.-Psychologin und Heilpraktikerin mit zahlreichen Fortbildungen im Bereich der Psychotraumatologie bzw. Psychotherapeutischen Trauma-Behandlung. Frau S... verfügt weder über eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung noch über eine Approbation als Psychotherapeutin nach dem Psychotherapeutengesetz.

Zur Begründung ihres Antrages führte die Klägerin aus, sie habe im Raum B... umfangreich nach einer geeigneten Anschlusstherapie gesucht, jedoch verfügten mehr als ein Dutzend kontaktierter Therapeutinnen entweder nicht über die notwendige Qualifikation zur Behandlung der DIS, oder wiesen keine entsprechenden Erfahrungen auf oder es bestehe eine Wartezeit von mindestens einem Jahr, im Regelfall länger. Dabei komme ein Mann als Therapeut aufgrund ihrer Biografie mit den an ihr begangenen Straftaten von vornherein ebenso wenig in Betracht wie Kinder- und Jugendtherapeutinnen, die Erfahrungen allein mit einem ganz anderen Patientengut hätten. Aufgrund ihres Erkrankungsbildes sei sie schließlich nicht in der Lage, längere Anreisewege zu einer Therapeutin zurückzulegen, der Therapieplatz müsse daher möglichst zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem öffentlichen Personennahverkehr erreichbar sein. - Dem Antrag waren ärztliche Stellungnahmen beigefügt.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2014 mit der Begründung ab, dass eine außervertragliche Psychotherapie bei Frau S... nicht beansprucht werden könne; da die Therapeutin nicht über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz verfüge. Sollten ohne lange Wartezeiten keine Vertragstherapeuten zur Verfügung stehen, könne sich die Klägerin an einen Nicht-Vertragstherapeuten wenden, der jedoch über eine Approbation zwingend verfügen müsse. Auf entsprechende Adresslisten im Internet wies die Beklagte die Klägerin hin. Im Fall einer notwendigen Krisenintervention könnten zudem Fachärzte für Neurologie/Psychiatrie in Anspruch genommen werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Februar 2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und am 12. Februar 2014 beim SG Braunschweig Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 31 KR 49/14 ER).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom ...

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